Die 500.000 Anhänger der Apokalypsy-Kirche auf Madagaskar sind bitterarm. Von ihren Spenden kauft der Guru André Mailhol Luxusautos.

Antananarivo. Der Ort des Segens ist ein Hinterhof. Geduldig stehen die Menschen auf der zerklüfteten Einfahrt an, inmitten verfallener Häuser. Mütter mit kranken Kindern auf dem Arm. Männer, die ihren Job verloren haben. Ein Jugendlicher, der über unerträgliche Kopfschmerzen klagt. Keiner drängelt, keiner redet. Alle starren nur nach vorne. Ihre personifizierte Hoffnung trägt ein weiß-goldenes Kirchengewand. Im Zehnsekundentakt empfängt er die Gläubigen, spricht leise ein paar Worte, richtet den Zeigefinger auf Bäuche und Köpfe. Die Augenbrauen hat er zusammengezogen, sodass auf seiner Stirn Falten stehen. Die Mimik eines sorgenvollen Vaters. Der Vater Madagaskars.

Als solcher präsentiert sich André Mailhol auf diesem Hinterhof in Imerintsiatosika, einem kleinen Ort nahe der Hauptstadt Antananarivo. Hinter ihm steht ein roter Porsche Cayenne Turbo, daneben ein gelber V8-Jeep der Edelmarke Hummer. Es sind die Dienstfahrzeuge seines Führungszirkels. Er hat es weit gebracht, der ehemalige Straßenverkäufer. Das Religionsstudium hatte er nach drei Jahren vorzeitig beenden müssen, weil das Geld für den Universitätsbesuch fehlte. Damals, Anfang der 90er-Jahre, hat Mailhol auf Märkten für Jeans geworben. Nun ist es die Religion. Madagaskar, die Insel vor Ostafrika, gehört zu den weltweit ärmsten Ländern. 76 Prozent der Bevölkerung leben von weniger als einem US-Dollar am Tag. In den vergangenen Jahren ist ihr Anteil noch einmal stark gestiegen: Im März 2009 stürzte der ehemalige Konzertveranstalter Andry Rajoelina die Regierung, seitdem lenkt er die Geschicke des Landes mit Unterstützung des Militärs. Und ohne die Gelder der Industrienationen, die ihre Zahlungen einfroren.

Es ist der perfekte Nährboden für fragwürdige Geistliche wie Pastor Mailhol. Für Interviews unterbricht der 51-Jährige seine spirituelle Behandlung gerne. Zu seinem Imperium gehört Radio Fanambarana, ein Sender, der ausschließlich Nachrichten über seine Kirche "Apokalypsy" ausstrahlt. Hinzu kommt eine eigene wöchentliche Fernseh-Show, ein eigener TV-Sender ist in Planung. "Ich bin 1991 von Gott berufen worden, die Menschen Madagaskars zu führen", sagt er mit ruhiger Stimme, "als ich diese Kirche gegründet habe, waren wir 70 Leute. Inzwischen besteht sie aus über 1000 Gemeinden und 500 000 Mitgliedern." 500 000 Menschen, die meisten bitterarm, und doch geben sie Mailhol zehn Prozent ihrer Einnahmen. Die Prophezeiung Gottes sehe vor, dass er 2013 Präsident des Landes werde, hat er ihnen gesagt. Das Land, das noch nie einen friedlichen Regierungswechsel erlebt hat, soll von ihm aus der Krise geführt werden.

Seine Anhänger glauben das, so wie sie seinem Argument für den Kauf der Luxusautos glauben: "Die Leute sollen sehen, was sie mit dem Glauben an Gott erreichen können", sagt er. "Und ich brauche gute Fahrzeuge, um rasch in die ländlichen Gegenden des Landes reisen zu können." Derzeit prüft die Kirche Angebote für den Kauf von Hubschraubern.

Mailhol bestätigt eindrucksvoll eine Studie des Gallup-Instituts. Die Meinungsforscher stellten in 114 Ländern die Frage: "Spielt Religion in Ihrem täglichen Leben eine wichtige Rolle?" Je ärmer das Land war, umso mehr näherte sich der Anteil der positiven Antworten 100 Prozent. Die Statistik wird von südostasiatischen und afrikanischen Ländern dominiert - während in Deutschland nur 40 Prozent "Ja" angaben. Das bedeutet Platz 100.

Viele Kirchen und religiöse Organisationen leisten wichtige Arbeit bei der Armutsbekämpfung. Doch zugleich profitieren Scharlatane wie Mailhol von der mangelnden Bildung in Entwicklungsländern. "Der Betrug mit Religion hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen", sagt der Autor Hugo Africa. Der Nigerianer hat bei Recherchen für ein Buch aufgedeckt, wie Kirchenführer Laienschauspieler dafür bezahlten, bei vermeintlichen Wunderheilungen mitzuspielen. Vor allem aber erzählt er die Geschichte von Tausenden, die in der Hoffnung auf Wohlstand und Wunderheilungen ihre letzten Ersparnisse abgaben.

In Imerintsiatosika lässt Mailhol noch einmal beten. Am Nachmittag setzt sich der selbst ernannte Heilsbringer auf den Rücksitz des Porsche Cayenne, er hat bei der Bestellung die Lederausrüstung gewählt. Er winkt noch einmal, dann fährt der Chauffeur los. Ein paar Kilometer weiter wartet die nächste Gemeinde. Und dann muss Mailhol noch auf die Baustelle. Mitten in der Hauptstadt soll das größte religiöse Gebäude des Landes entstehen. Dem Architekten hat Mailhol eine klare Vorgabe gemacht: Auf das Dach muss ein Hubschrauberlandeplatz.