Kai Pflaume reanimiert die Show von Hans Rosenthal. Ein solcher Versuch scheiterte schon einmal

Hamburg. Das Lied "Ich war noch niemals in New York" ist ein Klassiker von Udo Jürgens. Es handelt von einem Mann, der seine Wohnung verlässt, um noch Zigaretten zu holen, der sich dann ausmalt, wie es wäre, sein altes Leben hinter sich zu lassen, die Frau, das Kind, das Haus "voll Bohnerwachs und Spießigkeit". Am Ende des Liedes kommt er doch zurück, die Frau fragt ihn, was er denn so lange getrieben habe, schließlich beginne gleich "Dalli Dalli". Und dann sieht man sie förmlich - während des angespielten Refrains - vor dem Fernseher sitzen, der damals eine große Kiste war. Man sieht den Mann ganz in seinen Tagtraum versunken und hört die Anfangsmelodie der Show, voller "Spiele, Spaß und Spitze" wie es im Vorspann hieß. Und man sieht diesen kleinen Mann, der ein wenig berlinerte, immer lachte, immer scherzte, immer höflich war, sich nie in den Vordergrund spielte: Hans Rosenthal.

"Dalli Dalli" war nicht einfach irgendeine Spielshow, es war eine Institution der alten Bundesrepublik mit vollkommen absurden Ritualen, der Jury etwa oder Rosenthals Assistentin oder eben dieses "Spitze", ein Luftsprung, den der Moderator machte, wenn die Hälfte seines Publikums im Saal der Meinung war, dass die Kandidaten eine besonders gute Leistung erbracht hatten. Rosenthal stand dann für einen kurzen Moment in der Luft, oft mit erhobenem Zeigefinger.

Wenn der NDR an diesem Sonnabend , 25 Jahre danach, um 22 Uhr die Show wieder belebt, ist das zunächst einmal ein mutiger Schritt. Nicht zuletzt deswegen, weil der neue Moderator, Kai Pflaume, 44, eben nicht in die "Fußstapfen von Hans Rosenthal" tritt, wie der NDR kolportiert, sondern den weit kleineren Spuren von Andreas Türk, 42, folgt. Mitte der 90er-Jahre hatte das ZDF nämlich schon einmal versucht, "Dalli Dalli" wieder zu beleben und war grandios gescheitert. Kai Pflaume sagt: "Bei 'Dalli Dalli' sind es das Spielsystem und der Spielspaß, die aus meiner Sicht heute genau wie damals funktionieren. Die Sendung ist für mich der Prototyp der unterhaltenden Familienshow. Das ist das schöne Fernsehen, das ich immer auch proklamiere. Bei all dem, was das moderne Fernsehen hervorbringt, ist es wichtig, auch Traditionen zu pflegen." All dies hätte Türk 1995 auch gesagt.

Dabei stimmt es schon: "Ob nun ,Einer wird gewinnen', ,Der große Preis' oder ,Am laufenden Band' - keine dieser Sendungen hat so viele eigenständige Merkmale wie ,Dalli Dalli'", sagt Kai Pflaume. Und es wird auch einige Menschen geben, denen es ähnlich gehen wird wie Gert Rosenthal, Sohn des Erfinders, der sich "schon bei den ersten Schritten in dem Studio mit der Wabenwand heimisch" fühlte, dem es wichtig war, dass Pflaume in der ersten Aufzeichnung der Sendung direkt an seinen Vater erinnerte, und mutmaßt, dass sich "Hänschen" Rosenthal sehr darüber freuen würde. Doch hätte er sich wirklich gefreut?

Rosenthal war einer, der sich zahllose Formate für Radio und TV ausgedacht hat. "Dalli Dalli" war zu seiner Zeit nicht nur eine der erfolgreichsten, sondern auch eine der modernsten Shows im deutschen Fernsehen. Das mag sich heute lustig anhören, aber als Rosenthal zum ersten Mal bei seinem "Spitze" in der Luft stehen blieb, fragten sich die Leute ernsthaft, wie das denn sein könne, hauten auf den Fernseher und riefen voller Sorge beim ZDF an.

Es gab einmal eine Zeit, da probierten die Anstalten der ARD in ihren dritten Programmen neue Formate der Unterhaltung aus. Es gab einen Sendeplatz für Experimente, und viele Talente konnten sich in den Dritten für eine spätere Karriere auf der großen Bühne vorbereiten. Aber fällt dem NDR für seine neue Allzweckwaffe und Pilawa-Nachfolger Kai Pflaume wirklich nichts Besseres ein als ein 40 Jahre altes Konzept, das vor 25 Jahren zum letzten Mal lief und dessen Wiederbelebung schon einmal gescheitert ist?

Selten zeigt sich das Dilemma der Unterhaltung in der ARD so deutlich wie bei der Reanimierung von "Dalli Dalli". "Die moderne Spielshow ist eher etwas wie 'Schlag den Raab' oder 'Die perfekte Minute', also mit sehr vielen minimalistischen Spielen, etwa ein Geldstück in ein Glas zu schnippen", sagt Pflaume. Er hofft auf "witzige Bilder", die in einer modernen Spielshow eben fehlten. Garantieren sollen diese Bilder unter anderem seine ersten Gäste: Uwe Ochsenknecht, Heiner Lauterbach, Jenny Jürgens und Peter Hahne, und man kann nur mutmaßen, ob die Zusammenstellung der Gäste auch einer Liste folgt, die Hänschen Rosenthal noch gemacht hat.