Tornado-Saison fordert in den USA mindestens 284 Todesopfer, und die Zeit der Wirbelstürme ist noch nicht vorbei

Washington. Es sind Bilder wie aus einem Weltuntergangsfilm. Aber es ist Realität. Ein dunkles Wolkenmonster, das mit mehr als 300 km/h über die Landschaft wütet. Das Dachtrümmer, Mülltonnen, Äste, Tische, herausgerissene Haustüren mitunter kilometerweit mit sich reißt und als Geschosse auf die Erde, auf Häuser und Straßen schleudert. Wohnwagen fliegen durch die Luft, zertrümmerte Autos werden von der Naturgewalt in der Ecke eines Parkplatzes zusammengefegt.

Allein in Alabama starben 184 Menschen durch Tornados

Mindestens 284 Todesopfer waren bis gestern bestätigt. Am härtesten traf es den US-Bundesstaat Alabama, wo die Rettungskräfte bisher 184 Tote bargen, 36 von ihnen in dem am stärksten verwüsteten Tuscaloosa. Aus dem mit 93 000 Einwohnern fünftgrößten Ort Alabamas meldete sich ein verstörter Autofahrer: "Ich erkenne meine Stadt nicht wieder. Hier stand ein Fastfood-Restaurant. Einfach weg."

Viele Menschen werden noch vermisst, Tausende verloren ihre Wohnung. Läden und Büros sind zerstört, Geschäftsleute auf unabsehbare Zeit ihrer Existenzgrundlage beraubt. In den drei Reaktoren des AKW Browns Ferry am Tennessee River sprangen Notfall-Dieselgeneratoren an, um die Kühlung der Brennstäbe zu übernehmen. Präsident Barack Obama, der heute in das Katastrophengebiet reisen will, hat den Notstand ausgerufen. Gouverneur Robert Bentley forderte die Nationalgarde an. 2000 Gardisten suchen nach Überlebenden. Und die Gefahr ist nicht gebannt: Es gibt weitere Tornado-Warnungen. In Pleasant Grove, einem Vorort von Birmingham in Alabama, hat Samantha Nail mit ihrer Familie die Nacht durchgestanden: "Wir waren im Badezimmer, hielten einander fest und klammerten uns ans Leben".

32 Tote wurden aus Mississippi vermeldet, 15 aus Tennessee, elf aus Georgia, acht aus Virginia. "Dies könnte am Ende zu einem der schlimmsten Tornado-Ausbrüche in der Geschichte unser Nation werden", warnte der CNN-Meteorologe Sean Morris. Der April gehört zur Tornado-Saison. 116 der auch "Twister" genannten Windhosen werden in diesem Frühlingsmonat im langjährigen Durchschnitt gezählt. Doch der April 2011 könnte aufgrund einer seltenen Mischung von Wetterphänomenen, hoher Luftfeuchtigkeit und vertikal abnehmenden Temperaturschichten auf 300 Tornados kommen.

Die Tornados haben nach Einschätzung des Meteorologen Christian Herold vom Deutschen Wetterdienst in Offenbach eine "ungewöhnlich starke", zerstörerische Kraft. "Das bewegt sich an der obersten Grenze und kommt nicht alle Jahre vor."

Deutschland wird durch die Alpen vor solchen Wirbelstürmen geschützt

Weitere Wirbelstürme drohen in der ersten Mai-Hälfte, die Saison dauert bis Ende Juni. "Die Wirbelstürme werden durch ein kräftiges Tiefdruckgebiet ausgelöst, das sich über den USA befindet. Auf der Vorderseite ist feucht-warme Luft vom Golf von Mexiko, auf der Rückseite kalte Polarluft von Norden. Wenn diese Luftmassen aufeinanderprallen, bilden sich heftige Gewitter. Sie entladen sich in Tornados", sagt Herold.

In Deutschland gebe es 15 bis 20 Tornados pro Jahr. "Sie sind viel schwächer als in den USA, weil die Luftmassengegensätze nicht so groß sind. Ein Vorteil für Europa sind auch die Alpen. Sie schützen uns als Schranke."