Skandal erschüttert Mainzer Polizeipräsidium. Beamte bei Routinekontrolle aufgeflogen. Sie sollen Drogen und Geld genommen haben

Mainz. Mal waren es 19 Euro, mal sogar 400 Euro: Die Asservatenkammer im Mainzer Polizeipräsidium ist zum Selbstbedienungsladen geworden. Im Visier der Ermittler stehen vier Kollegen, drei Polizisten und eine Angestellte, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt in Mainz, Klaus-Peter Mieth. "Wir gehen davon aus, dass in diesem Kreise der Täter zu suchen ist." Noch hat die Justiz keine handfesten Beweise gegen die Verdächtigen. Die drei Beamten seien deshalb an einem anderen Arbeitsplatz eingesetzt, keiner sei suspendiert worden, betonte der Staatsanwalt. Offenbar ist es aber nur eine Frage der Zeit, bis die Schuldigen gefunden sind.

Was sich in Mainz abzeichnet, ist ein handfester Skandal. So fehlen in der Asservatenkammer definitiv 1200 Euro. Vermisst wird auch ein Tütchen mit 116 Gramm Amphetamin. Laut Informanten der "Bild"-Zeitung verschwanden aber auch Heroin, Kokain und Haschisch. Dies wurde aber nicht offiziell bestätigt. Die verdächtige Frau ist laut Mieth krank. Wie die "Bild" erfuhr, soll sie in eine psychiatrische Klinik eingeliefert worden sein. Die Angestellte hatte die Drogen angeblich selbst konsumiert.

Das Landeskriminalamt hat die weiteren Ermittlungen übernommen

Es gehe bei dem Bargeld um sieben Fälle in der Zeit von Juli 2010 bis Anfang März 2011, sagte Mieth. Der Fehlbestand sei bei einer Routineüberprüfung aufgefallen, berichtete der Mainzer Polizeipräsident Karl-Heinz Weber. Zunächst sei intern untersucht worden, ob die Asservate möglicherweise falschen Fällen zugeordnet wurden oder gerade bei der Staatsanwaltschaft liegen. Erst Anfang April habe sich der Verdacht erhärtet, dass jemand das Geld und das Rauschgift tatsächlich gestohlen haben könnte. Weitere Ermittlungen habe nun das Landeskriminalamt übernommen, sagte Weber. "Damit wollen wir größtmögliche Neutralität gewährleisten."

Nach den Worten von Kriminaldirektor Hans Kästner durchlaufen pro Jahr mehr als 2300 Fälle mit jeweils etwa sechs bis acht einzelnen Gegenständen die Asservatenkammer. Bei der Anlieferung würden sie geprüft und mit dem Protokoll der Beweissicherung abgeglichen. "Geld wird gezählt und Drogen werden gewogen", erklärte Weber. Zutritt habe nur das berechtigte Personal, der Raum sei mit einer Alarmanlage gesichert, erklärte Kästner.

Zum Fall des verschwundenen Amphetamins erklärte Mieth, dass er derzeit nicht zwingend von einem Diebstahl ausgehe. "Es ist aus meiner Sicht nicht ausgeschlossen, dass das Material nicht zu uns gelangt ist", sagte der Oberstaatsanwalt. Im täglichen Dienst geschehe es immer wieder, dass Asservate bei ihrem Weg in andere Behörden falsch zugeordnet würden. Sie könnten bei "anderen Ermittlungen wieder auftauchen". Mieth über einen früheren Fall: "Wir haben in Mainz in den Asservatenräumen der Staatsanwaltschaft vor Jahren mal Flugzeugteile gesucht wie die Nadel im Heuhaufen."

Immer wieder haben sich Ordnungshüter an Asservaten bedient

Schon früher haben Ordnungshüter beschlagnahmtes Rauschgift oder Geld aus der Asservatenkammer in die eigene Tasche gesteckt. Im Mai 2004 etwa verurteilte das Hamburger Landgericht einen Polizisten wegen Diebstahls und Drogenhandels zu drei Jahren und drei Monaten Haft. Der 27-Jährige hatte aus der Asservatenkammer Bargeld und rund 900 Gramm Kokain gestohlen. Im Dezember 2002 wurde eine Justizbeamtin aus Bayern vom Landgericht Landshut wegen Diebstahls von rund 100 000 Euro aus der Asservatenkammer der Staatsanwaltschaft zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Die 46-Jährige hatte ihre Schulden mit dem Geld bezahlt.

Der ehemalige Leiter des Drogendezernats in Freiburg/Breisgau (Baden-Württemberg) muss eine Haftstrafe von zweieinhalb Jahren wegen Diebstahls von Kokain verbüßen, entschied das Landgericht Freiburg. Der 47-jährige Beamte hatte im Jahr 2000 für den eigenen Konsum 350 Gramm entwendet.