Nach der Bluttat eines 24-Jährigen, bei der sieben Menschen starben, diskutiert das Land über eine Verschärfung der Waffengesetze

Amsterdam. "Man hörte erst immer nur tack, tack, tack, schrecklich. Dann kamen mir blutende Menschen entgegen. Es gab eine Riesenpanik, Leute stürzten übereinander." So schilderte eine Augenzeugin den Amoklauf im Einkaufszentrum De Ridderhof im holländischen Alphen aan den Rijn, 30 Kilometer südwestlich von Amsterdam.

Der Täter, 24, erschoss am Sonnabend gegen Mittag, als zahlreiche Familien mit ihren Kindern zum Einkaufen unterwegs waren, mit einer Maschinenpistole drei Frauen (45, 68, 91) sowie drei Männer (42, 49, 80), die alle in der Gemeinde wohnten. 17 Menschen, unter ihnen Mädchen im Alter von sechs und acht Jahren, wurden verletzt.

Tristan van der Vlis, Mitglied eines Schützenvereins, feuerte mehr als zehn Minuten lang "mit enormer Kaltblütigkeit" wahllos um sich. Schließlich schoss er sich mit einer anderen Waffe vor den Augen entsetzter Kinder und ihrer Eltern in der Nähe der Kasse eines Supermarktes in den Kopf. "Anfangs dachten wir, das wäre ein Feuerwerk", sagte Hajam Leouesset. "Aber sehr bald hat man Leute in alle Richtungen rennen sehen, und man hörte ihre Schreie", berichtete die junge Frau. "Dann habe ich diesen Mann gesehen, der überall Blut hatte."

Trotz intensiver Ermittlungen sei es bisher nicht gelungen, Klarheit über die Motive des Amokschützen zu erlangen, sagte Staatsanwältin Kitty Nooy. Allem Anschein nach sei der Täter suizidgefährdet gewesen. In einem Abschiedsbrief an seine Mutter habe er auf "digitale Informationen" verwiesen. Bei der Untersuchung seines Computers habe man dazu jedoch nur zwei Dateien mit stark spirituell gefärbten Texten ohne klare Hinweise auf die Mordtat gefunden. Ermittler sicherten jedoch bei Van der Vlis drei Waffen. Insgesamt verfügte er über fünf Waffen mit amtlicher Zulassung. Für die Maschinenpistole hatte er keinen Waffenschein, da diese in den Niederlanden verboten sind.

Hätte die Tat unter Umständen verhindert werden können? Der Holländer war der Polizei bereits als Jugendlicher 2003 wegen eines Verstoßes gegen das Waffen- und Munitionsgesetz aufgefallen. Bei dem Vorfall soll sich Van der Vils wohl versehentlich ins Bein geschossen haben. Der Fall konnte nie aufgeklärt werden.

Nach Angaben von Zeugen erschoss der mit einer militärischen Tarnjacke bekleidete Amokläufer bereits auf dem Parkplatz vor dem Einkaufszentrum einen Mann, der ihn auf seine Maschinenpistole angesprochen haben soll. Danach sei er "äußerlich völlig ruhig" in das Gebäude gegangen und habe blindlings gefeuert, berichteten Zeugen.

Später ist in dem vor dem Einkaufszentrum geparkten schwarzen Mercedes des Amokschützen ein Brief mit Hinweisen zu angeblich in drei Einkaufszentren deponierten Bomben gefunden worden. Die Polizei ließ die Gebäude und umliegende Wohnungen evakuieren. Bei Durchsuchungen wurde jedoch kein Sprengstoff entdeckt.

Justizminister Ivo Opstelten sprach von einem "fürchterlichen Drama". Auch Königin Beatrix, 73, bekundete den Opfern ihr Beileid. Das Drama habe ihr großen Kummer bereitet, und sie sei "sprachlos angesichts des enormen Leids, das so vielen Menschen zugefügt wurde", sagte ein Hofsprecher. Die Monarchin hatte erst am 30. April 2009 mit ansehen müssen, wie ein Attentäter während der Parade zum Nationalfeiertag in Apeldoorn versuchte, mit seinem Auto ihren Bus zu rammen. Sieben Menschen starben.

Nach der Tat beginnt im Königreich eine Diskussion über Schützenvereine und Waffenscheine. Holland sei nicht wirklich vorbereitet gewesen, sagt Sicherheitsexperte Glenn Schoen. Amokschützen habe man schließlich bisher nur durch Berichte aus den USA, Brasilien und Deutschland gekannt. Jetzt aber reihten sich die Niederlande "in ein internationales Muster" ein.