Bei edlen Tropfen mit langer Lagerzeit bleibt Glas ein Muss

Hamburg. Das Genießer-Menü ist bestellt. Der Sommelier dreht den Verschluss einer Plastikflasche auf und füllt die Gläser mit noblem Bordeaux? Reflexartig hört man zu diesem Szenario: Geht gar nicht! O. k., wir hatten Milch in Schläuchen und Orangensaft im Tetrapak, Fruchtsaft in Pappe und Plastik. Wein ist längst in partyfreundlichen Bag-in-Box-Würfeln erhältlich. Aber edle Tropfen in der schnöden Plastikflasche, wo Leichtgewicht und Quetschbarkeit suggerieren: "Ein bisschen billig ..."?

Fluglinien, die um jedes Gramm feilschen müssen, sind begeistert. Wer größere Mengen Wein von A nach B transportieren muss, im Prinzip auch. Denn die PET-Flasche wiegt den Bruchteil einer Glasflasche, die schon leer bis zu ein Kilo auf die Waage bringen kann. Auch sie ist recycelbar, und eine bessere CO2-Bilanz als bei der Glasflasche hat man auch schon hergerechnet.

Nun ist Wein aber ein Genussangebot, das nicht Fracht-Controllern und Logistik-Rechnern gefallen muss, sondern dem Endverbraucher. Und der spielt da mehrheitlich noch nicht mit. Wein aus Plastik - der Untergang des Abendlandes? Der Hamburger Weinexperte Mario Scheuermann sieht das entschieden gelassener: "Die Glasflasche ist historisch gesehen nur ein Intermezzo. Vor 1800 gab es sie praktisch nicht, da wurde vom Fass in Ton- oder Glaskrüge und Becher abgefüllt. Und irgendwann wird die Glasflasche wieder verschwinden." Was danach kommt? Darüber könne man nur spekulieren. Bag-in-Box, weil sich das so schön gestalten lässt? PET-Flasche? Oder gar Folienbeutel wie bei Capri-Sonne? Klar ist für ihn nur: Wir werden uns umgewöhnen, früher oder später, so wie beim Drehverschluss statt des Korkens.

Für teure und langlebige Weine aber bleibe die Glasflasche noch lange die erste Wahl, denn die neuen Verpackungen taugen nicht für edle Chateaux mit langen Lagerzeiten. Die Plastikflaschen werden nur für eineinhalb Kellerjahre empfohlen, also nur für Wein, der gleich wegmuss. Aber war das nicht mal - lange vor allem verfeinerten Genuss - auch der Sinn des Weintrinkens?

Glas und Kork bleiben den Genießern ja erhalten, genau wie die gedruckte Zeitung, der Oldtimer oder die Havanna-Zigarre - so altmodisch, dass es fast schon wieder "in" ist.