Naturschützer werfen dem Mädchen vor, es habe den Wolf diskriminiert. Märchenfreunde kontern, damit sei jetzt die Scherzgrenze erreicht

Regensburg. Der Naturschutzbund (Nabu) will die Brüder Grimm verklagen. Rotkäppchen sei schuld, dass die extrem scheuen Wölfe gemeinhin als angriffslustig und blutrünstig gelten. Dies sei antiquierte Rufschädigung und rassistische Diskriminierung des Isegrims. Auch etliche andere beliebte Märchen erfüllten den Tatbestand der üblen Verleumdung, teilte der Nabu mit. Diesem altdeutschen Mobbing müsse endlich Einhalt geboten werden.

Eine Nachricht, die dem Kulturwissenschaftler Gunther Hirschfelder gefallen dürfte. Denn der befürchtet, der Aprilscherz sei vom Aussterben bedroht. "Für einen guten Scherz ist eine Face-to-Face-Situation erforderlich, damit der Schabernacktreibende sehen kann, wie dem anderen die Kinnlade runterfällt", sagte der Professor an der Universität Regensburg. Doch die Menschen kommunizierten häufig nicht mehr persönlich, sondern zum Beispiel digital miteinander. Menschen seien zunehmend ungeübt darin, einen guten Scherz zu machen.

"Wir brauchen Scherze, um die Grenzen des guten Geschmacks auszuloten"

Viele trauten sich nicht mehr, andere in den April zu schicken, wie es einst Tradition war. Einerseits könne man nicht mehr wissen, ob der Humor vom anderen überhaupt verstanden werde. "Auch die Arbeitswelt ist heute hart und schnell - da kann man nicht mehr sicher sein, dass der Ulk gut ankommt", sagte der Experte. Auch die geforderte politische Korrektheit habe das Witzemachen nicht einfacher gemacht. Andererseits werde Humor zunehmend an Gagmacher in den Medien ausgelagert. Anstatt selbst Schabernack zu treiben, konsumierten die Menschen eher das Humorangebot von Comedians, Satirikern oder Showmastern. Viele hätten das Gefühl, mit diesem Humor-Niveau nicht mithalten zu können.

Ihn selbst habe schon lange niemand mehr in den April geschickt. Den Scherz findet Hirschfelder aber wichtig: "Wir brauchen ihn, um die Grenzen des guten Geschmacks auszuloten." Hirschfelder nutzt den 1. April, um die "Schmerzgrenze" bei seinen Mitmenschen zu testen. "Der Gradmesser für lustig oder nicht lustig ist das Bedrohungspotenzial", erklärt er. Je ferner die Bedrohung wirke, desto größer sei auch die Verträglichkeit. Aber auch deshalb sei der Witz in der Krise: Die Menschen fühlten sich permanent von Krankheiten oder Kriegen bedroht. So sei die Atomkatastrophe in Japan "einfach zu heavy für den Witz".

Der Ursprung des Aprilscherzes soll auf eine Währungsreform um 1530 zurückgehen. Damals beschloss der Augsburger Reichstag, das staatliche Münzwesen zum 1. April 1540 zu vereinheitlichen. Doch kurz vor dem Datum wurde der Termin vertagt und die Geldspekulanten, die an der Umstellung ordentlich mitverdienen wollten, ernteten lediglich Hohn und Spott.

Zehn Krokodile sollten im sibirischen Baikalsee die Artenvielfalt sichern

Noch Jahrhunderte später treiben auch Medien weltweit Scherze mit Lesern, Hörern oder Zuschauern: Schon 1957 schickte die britische BBC Zuschauer mit Bildern von der Schweizer Spaghetti-Ernte in den April. Interviewte "Pasta-Bauern" verwiesen auf den milden Winter, der die Ernte begünstigt habe.

Eine norwegische Zeitung berichtete 1987, vom Zoll beschlagnahmter Schmuggel-Alkohol werde am 1. April in der Stadt Bergen gratis ausgeschenkt. Hunderte an hohe Getränke-Preise gewöhnte Norweger kamen.

Die russische Nachrichtenagentur Itar-Tass meldete 1997, an Bord der Raumstation "Mir" sei ein Kosmonaut von einem Krokodil gebissen worden. Das Reptil sei bei Zuchtexperimenten aus dem Ei gekrochen. Zwei Jahre später setzte Itar-Tass noch eins drauf: Zehn Krokodile sollten im sibirischen Baikalsee ausgesetzt werden, um dort die Artenvielfalt zu sichern.

Der Norddeutsche Rundfunk berichtete 2003, Sylt werde wieder zu einer "richtigen" Insel: Aufgrund "neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse" müsse der Hindenburgdamm zum Festland abgetragen werden.