Nahezu Höchststrafe für Missbrauchs-Vater Detlef S. aus Fluterschen, der jahrzehntelang seine Kinder vergewaltigt hat.

Koblenz. Der Angeklagte in dem roten Jackett und mit den grauen Stoppelhaaren senkt den Blick. Er wirkt reglos, als der Richter das Urteil verliest. Seine Tränen, die er beim Abschlusswort vergossen hat, sind längst getrocknet. Der Missbrauchs-Vater aus dem Westerwalddorf Fluterschen kommt wohl nie mehr frei. Detlef S., 48, wird für den jahrzehntelangen sexuellen Missbrauch seiner Kinder 14,5 Jahre im Gefängnis bleiben.

"Es handelt sich bei dem Angeklagten um einen grenzenlosen Egoisten"

Für sein Leben danach verhängte das Koblenzer Landgericht Sicherungsverwahrung. Zwar wird auch hier in regelmäßigen Abständen die Möglichkeit einer Freilassung geprüft. Bei Pädophilen sind die Richter aber besonders streng. "Es handelt sich bei dem Angeklagten um einen grenzenlosen Egoisten, er betrachtete Familienmitglieder als seinen persönlichen Besitz", sagte der Vorsitzende Richter Winfried Hetger in der Urteilsbegründung. Mit Prügel und Psychoterror hielt der Mann seine Familie in einem "Gebäude der Angst" gefangen und ebnete so den Weg für den Missbrauch seiner Kinder. Bei der Urteilsverkündung gab es Applaus im Gerichtssaal.

Der arbeitslose Lkw-Fahrer aus Fluterschen hatte erst kurz vor Ende des Prozesses in vollem Umfang zugegeben, seine heute 18 Jahre alte Tochter, eine 27 Jahre alte Stieftochter und deren Zwillingsbruder missbraucht zu haben. "Ich habe mich schäbigst benommen. Ich weiß, dass ich das, was ich meinen Kindern angetan habe, nie wiedergutmachen kann", sagte er. Beide Töchter vermietete der Angeklagte zudem für Sex an Männer, mit der Stieftochter zeugte er acht Kinder. Eines starb. Medien nannten den Mann in Anlehnung an den österreichischen Kriminalfall den "deutschen Fritzl".

Ursprünglich hatte sich Detlef S. wegen 350 Straftaten zwischen 1987 und 2010 verantworten müssen. Diese Zahl wurde auf rund 160 Fälle von sexuellem Missbrauch und Vergewaltigung sowie Beihilfe zu diesen Taten reduziert. "Diese wiegen jedoch schwer", sagte der Richter. Beim Zusammenzählen aller Einzelstrafen ergäbe sich eine Haftstrafe von 500 Jahren und zehn Monaten. So etwas sehe das deutsche Strafrecht jedoch nicht vor.

Mit dem Urteil folgte das Gericht der Forderung von Staatsanwalt und Nebenklägern, die die Opfer vertraten. "Mir ist ein ganzer Mount Everest vom Herzen gefallen", sagte der Stiefsohn danach. "Es ist eine unglaubliche Erleichterung für meine Mandantin", betonte die Anwältin der Tochter. Vor allem die Sicherungsverwahrung bedeute nun "viel Zeit, um das Leben neu zu gestalten". Sie war - anders als die anderen beiden Opfer - nicht vor Gericht erschienen. Für die Stieftochter war es laut ihrer Anwältin Katharina Hellwig ein "Akt der Genugtuung", ihrem Peiniger beim Urteil ins Gesicht zu sehen. Aber auch sie musste sich noch einmal die erschütternden Details anhören. "Sie hat heute noch mal alles durchleben müssen", sagte Hellwig.

Begonnen hatte das Martyrium Ende der 80er-Jahre. Damals soll der Vater erstmals die Genitalien der beiden etwa fünfjährigen Stiefkinder angefasst haben. Als sie zwölf Jahre alt waren, wurden die beiden Töchter erstmals vergewaltigt. Die Frauen schilderten im Prozess, wie sie vor Schmerzen geschrien und vergeblich versucht hätten, sich zu wehren. Beide wurden über Jahre missbraucht und mussten immer wieder auch andere Männer befriedigen.

Der Mutter konnte keine Straftat nachgewiesen werden

Die Mutter will davon nichts mitbekommen haben. Ihr konnte von der Staatsanwaltschaft ebenso wie dem Jugendamt kein strafrechtlich relevanter Vorwurf gemacht werden. Bei der Behörde hatte die missbrauchte Stieftochter stets bestritten, dass S. der Vater ihrer Kinder ist. Ins Rollen kamen die Ermittlungen im August 2010 durch einen Brief der leiblichen Tochter. Seither saß Detlef S. in U-Haft. Der Verteidiger hatte auf neuneinhalb Jahre Gefängnis plädiert. Richter Hetger appellierte zum Abschluss an alle Missbrauchsopfer, "Straftaten nicht weiter still zu erdulden, sondern den Mut zu haben, an die Öffentlichkeit zu gehen".