Magnus Gäfgen behauptet, nach Gewaltandrohung durch Polizei psychisch zu leiden

Frankfurt/Main. Der zu lebenslanger Haft verurteilte Kindesmörder Magnus Gäfgen, 35, verklagt in einem neuen Prozess vor dem Frankfurter Landgericht das Land Hessen. 15 000 Euro verlangt der ehemalige Jurastudent, der am 27. September 2002 den elfjährigen Bankierssohn Jakob von Metzler entführt und in seiner Wohnung erstickt hatte. Von der Familie forderte er damals eine Million Euro Lösegeld. Kurz nach der Übergabe wurde er festgenommen und machte auf dem Polizeipräsidium unterschiedliche Angaben. Die Ermittler hatten zu diesem Zeitpunkt noch die Hoffnung, das Kind lebend zu finden.

Die Polizei habe ihm mit einer Wahrheitsdroge gedroht

Über den Tag der Vernehmung am 1. Oktober 2002 sagte Gäfgen gestern, nach seiner Festnahme habe ein Vernehmungsbeamter ihm Schmerzen angedroht, um das Versteck Jakobs zu erfahren. Der Beamte habe ihm gesagt, dass bereits ein Spezialist mit dem Hubschrauber unterwegs sei, der dazu ausgebildet sei, "mir solche Schmerzen zuzufügen, wie ich sie noch nie erlebt habe". Dabei habe der Polizist - soweit er sich erinnere - auch mit einer Wahrheitsdroge gedroht. Eine andere Äußerung, er solle aus dem Hubschrauber geworfen werden, habe er als Drohung aufgefasst. Ihm sei gesagt worden, "ich könne mir gar nicht vorstellen, was man alles mit mir machen könne".

Der Vernehmungsbeamte habe ihn zudem mehrfach geschubst und mit dem Handballen geschlagen. Nachdem er ihn an der Schulter geschüttelt habe, sei er mit dem Hinterkopf an die Wand geschlagen, berichtete Gäfgen weiter.

Er sei sich nicht sicher, ob er während des Verhörs gefesselt gewesen sei. "Ich gehe aber davon aus", sagte der Kläger. Zwischendurch habe ihn der Beamte immer wieder gefragt, wo der Junge sei und ob er noch lebe. Bei der Vernehmung habe er "Hilflosigkeit und Angst" verspürt, beklagte Gäfgen. Deshalb habe er schließlich aufgegeben und die Polizei zur Leiche des Kindes an dem Weiher geführt. Das Gespräch habe etwa zehn Minuten gedauert. Der Vorsitzende Richter Christoph Hefter gab zu bedenken, dass die Polizei den Jungen noch am Leben und in Gefahr gewähnt habe. Es sei klar gewesen, dass die Beamten intensiv nach dem Verbleib des Kindes fragen würden. Die Polizei habe den Auftrag, Gefahr für Leib und Leben entgegenzuwirken. Darauf Gäfgen: "Natürlich war mir das klar." In der Hauptsache sei es bei dem Verhör darum gegangen, ob der Junge noch lebe und wo er sei. Doch er habe für sich eben entschieden gehabt, zu dem Sachverhalt keine Aussage zu machen.

Der Kindesmörder, der Prozesskostenhilfe erhält, führt in dem Zivilverfahren an, dass er durch die Gewaltandrohung während des Verhörs psychische Schäden davongetragen habe. Zum Prozessauftakt sagte der Vorsitzende, dass in Zivilverfahren nach einem Vergleich gefragt werde. Doch da die Vorgänge im Polizeipräsidium teilweise strittig seien, "sehen wir uns hier nicht in der Lage, einen Vorschlag zu machen". Als Zeuge wurde der damalige Polizeivizepräsident Wolfgang Daschner geladen. Dieser ist, nach einem Disziplinarverfahren, das ohne Maßnahmen abgeschlossen wurde, inzwischen im Ruhstand. Es wird spekuliert, dass er damals auf Anweisung "von oben" gehandelt haben könnte. Bisher hat Daschner darüber geschwiegen. Außerdem wird ein Gutachter gehört.

Der ehemalige Polizeivizepräsident und ein Polizist wurden verurteilt

Der Polizist, der Gäfgen geschlagen haben soll, sagte gestern: "Ich habe ihn nie in meinem Leben berührt." Beide befanden sich nach übereinstimmenden Angaben allein in dem Vernehmungszimmer. Der Kriminalbeamte bestätigte, Gäfgen Gewaltanwendung für den Fall angedroht zu haben, dass er das Versteck des Kindes nicht preisgebe. Der Beamte sagte, er habe auf Anweisung seines damaligen Chefs Wolfgang Daschner gehandelt. Der Vernehmungsbeamte und Daschner hatten diese Gewaltandrohung bereits früher eingeräumt. Sie wurden deshalb in einem besonderen Strafprozess 2004 zu Geldstrafen auf Bewährung verurteilt.