Filmreifer Coup in italienischer Schmuckfirma. Tresor mit gestohlenem Bagger geknackt

Arezzo. Saverio Nocentini kommt gerade vom Tatort zurück. Der Dorfpolizist unterstützt die Ermittlungen der Carabinieri aus Arezzo. So viel wie jetzt war noch nie los in seiner Gemeinde Pergine. Hier ist Nocentini der Kommandant des aus zwei Polizisten bestehenden Reviers. "Ab und zu machen wir ein paar Verkehrskontrollen", sagt er.

Bisher jedenfalls. Seit Dienstag ist das anders. Es war 4.30 Uhr, als sein Diensthandy klingelte. Ein Anruf von der Einsatzzentrale der italienischen Carabinieri: Er solle sofort kommen, auf der Bundesstraße 69, die von Arezzo nach Florenz führt, stehe ein verlassener Schulbus und versperre die Weiterfahrt. Nocentini sprang aus dem Bett. Fünf Minuten später stand er vor dem auf der Straße geparkten Bus - und dem größten Kriminalfall seines kleinen Ortes: Kurz zuvor hatten Unbekannte Gold im Wert von rund drei Millionen Euro aus der örtlichen Goldschmiede Salp gestohlen. Um ungestört arbeiten zu können, hatten sie Straßensperren errichtet. Fast bewundernd sagt Nocentini: "Das war präzise Logistik."

Was in den Ermittlungsakten bislang steht, liest sich wie das Drehbuch eines Kinofilms. Sieben bis zehn Männer haben demnach mitten in der Nacht die Firma Salp ausgeräumt, oben in der Via del Bagno im kleinen Dorf Poggio Bagnoli. Salp stellt seit 1978 kleine Goldkettchen her. Rund 30 Angestellte arbeiten in der Fabrik, vier weitere in der Verwaltung.

Vor wenigen Jahren gab es noch 2500 Gold verarbeitende Betriebe in der Gegend, jetzt sind es noch 1300. Verglichen mit den beiden anderen Hochburgen der Goldverarbeitung in Italien, Vicenza in Venetien und Valenza im Piemont, sind das immer noch relativ viele Arbeitsplätze. Salp stellte Massenware her, für den Großhandel. Und dafür braucht es eine Menge Gold.

"Die Täter müssen sich wochenlang vorbereitet haben", sagt Nocentini, "sonst schafft man das nicht." Um zwei Uhr nachts schlugen sie offenbar los: Vom unbewachten Parkplatz der Gemeindeverwaltung stahlen sie zwei Autos, einen Lastwagen, einen Schulbus und ein Polizeiauto: "Es waren vier Straßensperren", sagt Nocentini, "für alle Zugänge nach Poggio Bagnoli." Dann rückten sie mit schwerem Gerät an - einem Bagger, an den sie offenbar vor Ort noch einen gewaltigen Presslufthammer montierten. "Das muss jemand gemacht haben, der höchstes technisches Verständnis hat." Der Bagger durchbrach den mannshohen Zaun, der die Straße von der Firma trennt, und begann, genau an der richtigen Stelle, die Wand des Tresorraums einzudrücken. Presslufthammer-Lärm um zwei Uhr nachts? "Niemand hat etwas gehört", meint Nocentini. Auch der Tresor wurde mit dem Presslufthammer geknackt. Dann trugen die Täter 150 Kilogramm Gold zu ihren Autos.

Doch offenbar waren die Diebe nervös. "Sie haben einen Teil der Beute fallen lassen", sagt Nocentini, "und vielleicht haben sie auch noch andere Fehler gemacht." Auf der Flucht zerstörten sie noch die Zündschlösser der quergeparkten Autos und stellten Schilder auf: "Vorsicht Baustelle". Dann flohen sie, wahrscheinlich über die nahe Autobahn in Richtung Rom. Seither sind sie verschwunden.

Die Produktion bei Salp wurde bis auf Weiteres eingestellt. Der Zeitung "Corriere della Sera" sagte ein Mitarbeiter: "Wir haben die Sicherheitstechnik erst kürzlich modernisiert, aber gegen solche Leute ist es unmöglich, sich zu verteidigen."

Nocentini hofft, dass die Täter bald gefasst werden. "Sie haben sich so gut ausgekannt", meint er, "sie müssen hier einmal gesehen worden sein." Oder vielleicht kommen sie sogar aus einem der Dörfer. "Vielleicht", sagt er. Auch die Geschichte mit den Lkws vor zwei Jahren sieht er jetzt anders. Damals wurden zwei in Poggio Bagnoli gestohlen, aber am nächsten Morgen in der Nähe unversehrt wiedergefunden. "Ich glaube, die wollten den Überfall schon damals machen. Aber das ist meine Theorie." Er will den Ermittlungen nicht vorgreifen. Vielleicht ergibt sich noch mehr Stoff für ein spannendes Drehbuch über den Goldraub der toskanischen Panzerknacker.