Nach Aussagen der Ärzte rollt ein “Tsunami der Fettsucht“ an. Fettleibigkeit erhöht das Risiko für Erkrankungen wie Krebs oder Diabetes.

Paris/Washington. Dicke Menschen gehen große Gesundheitsrisiken ein: Dabei geht es nicht nur um die Nachteile, die die Fettleibigkeit selbst mit sich bringt. Auch Nachfolgeerkrankungen wie Diabetes, Krebs und Herzerkrankungen werden wahrscheinlicher. Ärzte formulierten es nun sehr drastisch. Sie sprechen von einem "Tsunami der Fettsucht“, der auf die Menschheit zurolle. Mehr als eine halbe Milliarde Menschen weltweit leiden laut einer am Freitag veröffentlichten Langzeitstudie an gefährlicher Fettleibigkeit, weitere knapp 1,5 Milliarden haben Übergewicht. Damit hat sich die Zahl der Fettleibigen in den vergangenen 30 Jahren nahezu verdoppelt. Sie sind zudem nicht mehr allein Phänomen der reichen Staaten.

Für ihre Studie, die in der Fachzeitschrift „Lancet“ veröffentlicht wurde, untersuchten Forscher aus Harvard, dem Imperial College in London und dem Bevölkerungsforschungsinstitut im kanadischen Hamilton mit Unterstützung der Weltgesundheitsbehörde WHO die Entwicklung des Übergewichts bei Erwachsenen zwischen 1980 und 2008. 2008 war demnach bereits jeder dritte Erwachsene übergewichtig und jeder neunte Erwachsene fettleibig. Laut WHO sterben drei Millionen Menschen jährlich vorzeitig, weil sie zu stark übergewichtig sind.

„Dieser Tsunami trifft letzten Endes alle Regionen der Welt“, warnten die Forscher Sonia Anand und Salim Yusuf in einem Begleitkommentar zu der Studie. Demnach ist starkes Übergewicht nicht mehr nur ein Problem der westlichen Industriestaaten, sondern breitet sich zunehmend auch in den wirtschaftlich aufstrebenden Staaten - vor allem im Nahen Osten - aus. Die meisten Dicken hat der Studie zufolge der kleine Pazifikstaat Nauro, gefolgt von den Männern aus den USA. Deutschland liegt mit der Zahl der Dicken bei den Männern auf Platz zehn und bei den Frauen auf Platz 17. Die wenigsten Übergewichtigen leben in den asiatischen Staaten Bangladesch und Indien sowie in der afrikanischen Republik Kongo. Auf Platz eins der schlanksten Frauen Europas findet sich die Schweiz, gefolgt von Frankreich und Italien.

Für ihre Studie übernahmen die Forscher die WHO-Einteilung der Bevölkerung in die drei Gruppen Normalgewicht, Übergewicht und Fettleibigkeit. Ihr liegt der so genannte Body Mass Index (BMI) zugrunde, der das Verhältnis zwischen Gewicht und Körpergröße abbildet. Ab einem BMI von 30 gelten Menschen als fettleibig.

Starkes Übergewicht ist laut WHO häufige Ursache von Herzerkrankungen, Diabetes, Krebs und anderer Gesundheitsstörungen. Es führt zudem zu erhöhtem Blutdruck und einem erhöhten Cholesterinspiegel. An der Spitze bei zu hohem Cholesterin liegen die Länder Westeuropas, allen voran Island, Andorra und Deutschland, ganz unten steht Afrika. Dagegen sind Probleme mit Bluthochdruck seit 1980 in den Industriestaaten, allen voran den USA, zurückgegangen.

Nach einer US-Studie hat auch die Arbeit der Mütter einen Einfluss auf das Gewicht von Kindern. Mit ungefähr jedem halben Jahr, das Mütter in den USA arbeiteten, stieg das Gewicht ihrer Kinder um rund ein halbes Kilogramm stärker an, als es der normalen Entwicklung entsprochen hätte, befanden die Forscher aus Washington und New York in einer am Freitag in der Zeitschrift „Child Development“ veröffentlichten Analyse von Daten aus 900 Grund- und Mittelschulen in zehn US-Städten.

Sie warnten, dass das Risiko für Kinder, fettleibig zu werden, steigt, je länger ihre Mütter arbeiten. Einen eindeutigen Grund dafür konnten die Wissenschaftler nicht ausmachen. Sie vermuteten jedoch, dass sich arbeitende Mütter und ihre Kinder aus Zeitmangel häufig von Fast-Food und Fertigkost ernährten. In den USA

hat sich die Zahl fettleibiger Kinder in den vergangenen 30 Jahren verdreifacht. Jedes dritte Kind gilt dort inzwischen als übergewichtig oder stark übergewichtig. (afp)