Einmaliger Vorgang auf einem deutschen Flughafen: 172 Urlauber weigerten sich in Nürnberg, in einer reparierten Maschine zu fliegen.

Nürnberg. Sie hatten Angst vor einem Flugzeugabsturz und probten den Aufstand: Nach zwei missglückten Startversuchen haben 172 Passagiere des Air-Berlin-Flugs 3538 auf dem Nürnberger Flughafen eine Ersatzmaschine erzwungen. Sie weigerten sich, ein drittes Mal in die Boeing 737-800 zu steigen, und starteten eine Unterschriftenaktion, angeführt von dem Ehepaar Zbigniew (49) und Elisabeth Kaszubski (50).

Nach 14 Stunden Wartezeit wurden die Urlauber schließlich mit einer anderen Maschine, die extra aus der Türkei eingeflogen worden war, zu ihrem Ziel im portugiesischen Faro gebracht. Zwei Reisende, die an Flugangst litten, waren schon beim zweiten Startversuch nicht mehr eingestiegen.

Ursache der Panne war laut Air Berlin eine fehlerhafte elektronische Anzeige in der nagelneuen Boeing 737-800. Eine Gefahr habe für die Passagiere nicht bestanden.

"Die Anzeige des Landeklappensystems hat nicht richtig funktioniert", sagt Air-Berlin-Sprecherin Alexandra Müller (34). Der Pilot habe den geplanten Start am frühen Sonntagmorgen deshalb bereits beim Anrollen zur Startbahn abgebrochen. Ein zweiter Versuch einige Stunden später verlief ebenfalls nicht erfolgreich. Daraufhin sammelten immer mehr Passagiere Unterschriften und forderten, nicht mehr mit dieser Maschine fliegen zu müssen. "Wir haben zweimal im Flugzeug gesessen und sind auch zweimal auf die Startbahn gerollt, und jedes Mal musste der Start wegen eines Defekts abgebrochen werden", klagt einer der Fluggäste in der "Nürnberger Zeitung". "Wir standen dann immer wieder auf dem Flugfeld und wurden mit dem Bus zurückgefahren."

Dazu die Air-Berlin-Sprecherin: "Die Passagiere waren sehr beunruhigt und reagierten panisch." Vor allem vor dem Hintergrund des Madrider Spanair-Unglücks sei "ein psychologisches Moment" im Spiel gewesen. Am 20. August war eine Spanair-Maschine unmittelbar nach dem Start vom Madrider Flughafen abgestürzt und in Flammen aufgegangen. 154 Menschen starben. Vor dem Absturz hatte auch der Spanair-Pilot bereits einen Startversuch abgebrochen. Passagieren war das Aussteigen verwehrt worden.

Für die Faro-Urlauber ist die heikle Situation dagegen gut ausgegangen. "Ein Startabbruch allein ist keine Katastrophe", beruhigt Marc-Roman Trautmann (40), Leiter des Deutschen Flugangst-Zentrums. Eine Regelung, die den Anspruch der Passagiere auf ein Ersatzflugzeug garantiert, gibt es nicht. "Deshalb muss das Vertrauen wiederhergestellt werden", erklärt der Experte und fordert "mehr Transparenz zwischen Cockpit und Kabine", die in vielen Einzelfällen nicht da ist.

Es sei tragisch, wenn sich die Situation zwischen Besatzung und Passagieren dermaßen hochschaukle, dass erst Unterschriften gesammelt werden müssten, so Trautmann.

"Jeder Passagier hat das Recht, das Flugzeug zu verlassen, wenn es die Umstände erlauben und rechtfertigen." Bei medizinischen Notfällen sei das allerdings kein Problem. Aber Flugangst ist keine anerkannte Krankheit, auch wenn der Patient im Panikzustand medizinische und oder psychische Hilfe benötigt. Die Betroffenen sollten ihre Flugangst direkt am Flughafen feststellen und bestätigen lassen, rät Trautmann. Nur dann ist eine Reisekostenerstattung möglich.

Bei Air Berlin gab es am Wochenende zwei weitere Zwischenfälle: Schon am Sonnabend musste ein Flug von Hamburg nach Faro abgebrochen werden, weil ein Vogelschwarm ins Triebwerk geraten war. Die am Rumpf beschädigte Maschine landete in Düsseldorf, die 136 Passagiere flogen noch am selben Abend mit der Maschine einer anderen Fluggesellschaft weiter.

Am Sonntag kehrte eine Maschine mit 184 Fluggästen auf dem Weg von Malaga nach Nürnberg nach einer halben Stunde um. Der Grund war eine defekte Anzeige für den Treibstofffilter, ähnlich wie bei dem ersten Zwischenfall auf dem Nürnberger Flughafen. "Sicherheit steht an erster Stelle", so die Air-Berlin-Sprecherin gestern. "Kein Pilot wird mit einer defekten Anzeige fliegen."