Opfer Carlina White fand leibliche Mutter jetzt übers Internet. Kidnapperin in Haft

New York. Sie nannte sie Mutter, doch es war ihre Entführerin. Die Geschichte der als Baby gekidnappten Carlina White bewegt Amerika. Bilder des ersten Wiedersehens der inzwischen 23-Jährigen mit ihren leiblichen Eltern im New Yorker Stadtbezirk Bronx flimmern unentwegt über die Fernsehbildschirme.

Jetzt stellte sich die mutmaßliche Entführerin Ann Pettway in Bridgeport (US-Bundesstaat Connecticut) der Bundespolizei FBI. Das berichtet die "New York Times". Die 44-Jährige muss sich vor einem Bundesgericht in Manhattan verantworten. Es soll darüber entscheiden, ob Anklage gegen die Frau erhoben wird.

Es geschah an einem heißen Augusttag im Jahre 1987. Carlina White war erst 19 Tage alt und hatte plötzlich hohes Fieber bekommen. Die Eltern brachten sie in ein Krankenhaus im New Yorker Stadtteil Harlem. Eine Frau in Schwesterntracht stand am Eingang. Sie nahm ihnen das schreiende Kind ab, beruhigte die aufgeregten Eltern. Sie sollten es erst 23 Jahre später wiedersehen - ein nicht enden wollender Albtraum, an dem auch die Familie zerbrach.

Carlina wuchs unter dem falschen Namen Nejdra auf

Die Entführerin, die selbst keine Kinder bekommen konnte, hatte nach den Ermittlungen der Polizei schon Tage in den Klinikfluren verbracht und auf eine Gelegenheit gewartet, ein Kind zu kidnappen. Sie nahm Carlina mit nach Hause, gab sie als ihre eigene Tochter aus. Alle Fahndungsaufrufe brachten keine Hinweise auf den vermissten Säugling. Auch die Nachbarn der Entführerin wunderten sich nicht. Carlina wuchs unter dem Namen Nejdra Nance bei ihrer falschen Mutter in Connecticut, später in Georgia auf.

Erste Zweifel kamen ihr mit 16 Jahren, als sie selbst schwanger wurde. Sie wollte ihre Geburtsurkunde sehen, die konnte Ann Pettway aber nicht vorweisen. Sie habe sie verlegt, sagte sie. Auch später, als sie ihren Führerschein machen wollte, hatte Carlina Probleme mit den Papieren. Bei der Jobsuche konnte sie ebenfalls keine Geburtsurkunde vorlegen. Carlinas Zweifel verstärkten sich. Sie stöberte im Internet und stieß auf eine Webseite der Behörden über vermisste Kinder.

Plötzlich entdeckte sie ein Babyfoto und eine Computeranimation, die das vermisste Kind etwas älter zeigte. Die damals 21-Jährige erkannte sich selbst. Sie wandte sich an die Vermisstenstelle: "Ich glaube, ich bin nicht die, die ich sein soll", sagte sie. Mithilfe der Behörde suchte Carlina nach ihrer biologischen Mutter. "Ich wusste sofort, dass sie es ist. Ich schrie los und weinte am Telefon. Es war einfach verrückt", erinnert sich die wahre Mutter, Joy White, an den ersten Anruf der Behörde. Eine daraufhin eingeleitete DNA-Untersuchung bestätigte schließlich die Verwandtschaft der beiden.

Inzwischen ist die Amerikanerin wieder mit ihrer Familie vereint. Sie konnte auch ihre beiden leiblichen Geschwister kennenlernen. Obwohl die Eltern Joy White und Carl Tyson sich schon vor Jahren getrennt und jeweils eine neue Familie gegründet hatten, feierten jetzt alle gemeinsam. Die Mutter hatte die Hoffnung ohnehin nie aufgegeben, dass ihr Kind wieder auftauchen würde, und den Namen des Mädchens sogar in ihrer E-Mail-Adresse benutzt, berichtete die "Daily News". Carl Tyson: "Als ich Carlina sah, sprang mein Herz vor Glück!" Beide freuen sich auch über ihre Enkelin Samira, 7.

Carlina wurde von ihrer Entführerin in der Kindheit geschlagen

Carlina White ist offenbar auch um ihre Jugend betrogen worden. Sie wurde von ihrer Entführerin geschlagen, die drogensüchtig sein soll. New Yorker Zeitungen sagte sie, sie habe ihr ganzes Leben lang Zweifel gehabt, dass sie mit ihrer wirklichen Mutter zusammenlebe. Jetzt sei sie "überwältigt und einfach nur glücklich", ihre Familie wiedergefunden zu haben.

"Wenn ich meine leibliche Mutter anschaue, sehe ich mich. Bei der anderen Frau war ich immer auf der Suche nach Gemeinsamkeiten", erzählte sie der "New York Post".