Auch wenn es nicht Paris ist, die Fashion Week hat viel zu bieten

Berlin. Mittwoch früh um sieben, Easyjet Genf-Berlin. Ein volles Flugzeug. Man sieht auffallend viele junge Leute, bunte Menschen, in dieser vorsätzlich nachlässigen Art gestylt. Die meisten Passagiere sind offenbar auf dem Weg zur Modesause in Berlin. Und dort sind die Mützen, die auch Brad Pitt gern trägt, quasi Pflichtbedeckung für Freischaffende in den Genres Mode, Medien, Fashion, Film.

Während ich also die jungen Leute im Flugzeug beobachte, fällt mir ein, dass tatsächlich 90 000 Karten für die Streetwear-Messe Bread & Butter verkauft worden sind. Nur dafür, denn parallel finden, wenn in Berlin Modewoche ist, gleich mehrere Messen statt, was für Außenstehende immer etwas verwirrend klingt, weil man den Begriff ja eher übergreifend versteht. Manche Veranstaltungen bevorzugen zudem - auch das ist Berlin-typisch - einen sperrigen Namen: 5 elements.berlin würde andernorts vielleicht einfach Dessous-Messe heißen. Grünes wiederum verbirgt sich hinter theKey.to. Muss man auch erst einmal üben.

Doch wenn von der Modewoche gesprochen wird, sind damit vor allem die großen drei gemeint, die Premium mit Namen von Falke bis Rena Lange, die Bread & Butter für den gewaltigen "Streetwear"-Markt und die Mercedes-Benz Fashion Week, in deren Zeltrahmen in den vergangenen drei Tagen die Modenschauen liefen. Wobei Marken wie Escada, Hugo Boss oder Michael Michalsky imagegerecht größere Rahmen suchten. Wie jedes Mal legte Boss mit Show und Anschlussparty die Messlatte, deren Höhe nicht nur mit dem Standort Neue Nationalgalerie festgelegt wurde; mit Tilda Swinton saß auch die glamouröseste "Prominente" in der ersten Reihe. Es wird viel gelästert über die Ambitionen Berlins, im "Spiegel" war zu lesen, dass die Modewoche als gescheitert betrachtet werden kann. Das hätte vor zwei Jahren mehr Sinn gemacht. Der Eindruck vor Ort ist doch ein anderer: Berlin findet sich, gerade weil es nicht (mehr) den Anspruch erhebt, so zu sein wie Mailand und Paris, nicht einmal wie New York oder London. Berlin ist, auch wenn es um Mode und die dazugehörige Community geht, eben Berlin. Die Riesenfete zur Eröffnung der Bread & Butter darf als Synonym gelten: Es geht um Party, um Anziehungskraft, um Mut und Straßentauglichkeit. Es wird gern herumgehackt auf den Ambitionen der Stadt. Das ist nicht nötig, auch wenn einem das unerschütterliche lokale Selbstbewusstsein unheimlich sein kann.

Trotz aller Probleme: Innerhalb weniger Jahre hat sich die Zahl der Schauen vervielfacht. 2007 gab es nur elf, dieses Mal waren es allein bei der Mercedes-Benz Fashion Week rund 40. Die berühmte Suzy Menkes sitzt nicht in der ersten Reihe, aber eben auch nicht nur Lokalredakteure und Blogger. Natürlich ist Berlin nicht Weltmetropole der Mode. Wird es auch nie sein. So wie die Stadt niemals elegant werden wird. Hier wird auch nicht das große Geschäft gemacht. Einkäufer erzählen freudestrahlend, dass sie in Berlin einen Mordsspaß haben, so viele Inspirationen - und in Düsseldorf in zwei Wochen dann die Order schreiben werden, um sofort zu erklären, wie out die Messe dort ist.

Berlin hat eine andere Aufgabe, nämlich für einen Buzz zu sorgen, den es sonst womöglich gar nicht gäbe und der der deutschen Modeszene nur gut tut.

Autorin Inga Griese ist Lifestyle-Expertin und berichtet für das Hamburger Abendblatt von der Berliner Fashion Week