Wie es dort aussieht? Darüber schreibt eine polnische Putzfrau ein Buch. “Draußen dickes Auto, drinnen Saustall“

Berlin. Lässt der pingelige Firmenchef zu Hause die Zahnpastatube offen? Wie sieht es beim kleinlichen Nachbarn im Schlafzimmer aus? Als einzige Außenstehende weiß das meistens nur die Putzfrau. Eine von ihnen plaudert jetzt öffentlich aus dem Nähkästchen: "Eine mumifizierte Hamsterleiche war das Ekligste, was ich unter Matratzen und Sofas entdeckt habe."

Justyna heißt die Perle, die dafür sorgt, dass vom Schlafzimmer bis zur Küche wieder alles blitzblank ist. Was sie dabei sieht, würde so manchem wohl die Schamesröte ins Gesicht treiben. Die Polin hat unter dem Pseudonym Justyna Polanska ein Buch darüber geschrieben: "Unter deutschen Betten - Eine polnische Putzfrau packt aus" (Knaur). Der Vorname stimmt, sagt die Autorin, Polanska sei aber frei erfunden. Ihren vollen Namen soll niemand erfahren, denn Justyna putzt schwarz. Seit elf Jahren.

Unter Justynas Kunden sind Manager, Richter oder Anwälte. Glaubt man der 32-Jährigen, scheint es einigen eher an Schamgefühl als an Geld zu mangeln. "Ein abgestorbener großer Zehennagel, benutzte Kondome und Tampons mit Spuren der Verrottung, Hundekotze", beschreibt die Autorin, was sie schon alles unter den Betten ihrer wohlhabenden Arbeitgeber entdeckt hat. "Der äußere Schein trügt oft", sagt Justyna, die nach dem Abitur als Au-pair-Mädchen nach Deutschland kam. "Ich habe das Bild gehabt, die Deutschen sind sauber und ordentlich." Das sei nicht immer der Fall. "Viele haben dicke Autos vor der Tür, aber drinnen sieht es aus wie ein Saustall", berichtet Justyna, die mit ihrem Buch den Deutschen einen Spiegel vorhält. "Bei manchen Kunden finde ich getragene Unterhosen unter dem Tisch. Ist denen das nicht peinlich?"

Ohnehin sei der Dreck nicht das Schlimmste, was sie in deutschen Haushalten erlebt habe. Was sie wirklich empört, ist das Benehmen vieler Arbeitgeber. Das sei "oft unerträglich". So habe einer sie angeraunzt: "Pass doch auf, du blöde Polackin!" Andere Schimpfwörter, die Justyna zu hören bekam: "Polackensau", "Polenpeitsche", "Ostpocke", "Ostblocknutte" oder "Wodkafresse". Ihr schmerzlichstes Erlebnis: Nach einem Umzug wienerte sie mit einer deutschen Kollegin das Haus ihres Arbeitgebers. Nach getaner Arbeit lud er alle zum Essen ein. "Nur mich nicht. Die deutsche Reinmachefrau durfte mitessen." Mit Schrecken erinnert sich Justyna an Alexandra, das Kind einer Familie. "Immer, wenn ich sie weckte, schrie sie: 'Hau ab, du Arschloch!'"

Auch sexuelle Belästigung sei an der Tagesordnung. Ein Arbeitgeber habe sich vor ihr ausgezogen, sagt die junge Frau, die mit einem Italiener verheiratet ist und in Hessen lebt. Wenn Justyna eine Suchanzeige für eine Putzstelle aufgebe, riefen Männer an und böten ihr Geld für Oralsex. "Warum machen die das bei mir?", fragt Justyna. Manche dächten: "Die ist Putzfrau, die kommt aus Polen, die macht für 30 Euro alles."

Tatsächlich suchten Polinnen in Deutschland vor allem Arbeit. "Ich habe dort keine Zukunft für mich gesehen", sagt Justyna über ihr Heimatland. Auch ihre Mutter und ihre Schwester seien ihr gefolgt und hätten in Deutschland als Putzfrau angeheuert. In Polen lohne sich die gleiche Arbeit nicht.

Ob sie schon immer Putzfrau werden wollte? Diese Frage hört Justyna oft - und ärgert sich jedes Mal. Natürlich habe sie andere Träume gehabt. Sie wollte als Visagistin arbeiten oder studieren. "Vielleicht ist es kein Traumjob", sagt sie, "aber ich verdiene gutes Geld." Außerdem mache ihr der Job Spaß. Dass sie schwarz putzt, findet sie nicht schlimm. Bei einer 40-Stunden-Woche verdient sie 1500 bis 2000 Euro im Monat. "Ich mache mir keinen Kopf über Abrechnungen."

Nach einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln sind in der Bundesrepublik 95 Prozent aller Haushaltshilfen schwarz beschäftigt. Sie arbeiten in vier Millionen Wohnungen und Häusern. Der volkswirtschaftliche Schaden: 150 Milliarden Euro.

Justyna Polanska: "Unter deutschen Betten. Eine polnische Putzfrau packt aus", Knaur Taschenbuch, 224 Seiten, 8,99 Euro