Am Main gab es eine erneute Flutwelle, in Wertheim ist die Lage angespannt. An der Donau geht das Hochwasser zurück, in Passau sank der Pegel.

Darmstadt/Kassel/Wertheim/Herzberg/Dresden/Halle. Eine erneute Hochwasserwelle am Main hat am Montag Wertheim erreicht. Drei Viertel der Altstadt wurden überflutet. Betroffen sind etwa 1300 Menschen und rund 500 Gebäude, davon ein hoher Anteil mit Geschäfts-, Büro- und Praxisräumen. Am frühen Abend stieg der Wasserstand auf 5,93 Meter. Die Scheitelwelle wurde nach Angaben der Hochwasser-Vorhersage-Zentrale (HVZ) mit etwa sechs Metern erwartet. Der normale Wasserstand in der 24 000 Einwohner zählenden Stadt am Zusammenfluss von Main und Tauber beträgt 1,50 Meter. „Die Lage bleibt weiter sehr angespannt“, sagte Volker Neumeier, Einsatzleiter der Stadt Wertheim, nach einer Lagebesprechung des Krisenstabes. Am späten Montagabend lag der Stand unter der Marke von sechs Metern. „Seit 20.00 Uhr haben wir stagnierende Pegelstände“, sagte ein Feuerwehrsprecher in der Nacht. Das Wasser habe 5,95 Meter erreicht. „Im Moment ist eine nächste Welle nicht absehbar. Mit Sicherheit können wir das aber nicht sagen.“

Menschen werden in den Fluten vermisst

In mehreren Flüssen, die zurzeit Hochwasser führen, sind in Deutschland wahrscheinlich weitere Menschen ertrunken. Die Polizei suchte bislang erfolglos nach den von der Fulda und Steinach in Hessen mitgerissenen Männern. Die Beamten schätzen am Montag die Chance, die Männer lebend zu finden, in beiden Fällen als gering ein. Nach einem Vermissten, der am Wochenende auf der Flucht vor der Polizei in die Fulda gesprungen war, wird derzeit nicht mehr gesucht, wie ein Polizeisprecher in Kassel sagte. Nach Polizeiangaben handelt es sich möglicherweise um einen 32-Jährigen. Er hatte in der Nacht zum Sonnabend in Kassel beim Erkennen eines Streifenwagens sein Auto beschleunigt und war vor den Beamten geflüchtet. Entlang der Fulda verlor der Autofahrer die Kontrolle über sein Fahrzeug und fuhr in den Straßengraben. Nach dem Unfall flüchtete er zu Fuß und sprang dann in den Fluss.

Auch ein 59-Jähriger, der am Donnerstag bei Neckarsteinbach (Kreis Bergstraße) in die Steinach gestürzt war, ist noch nicht gefunden worden.

Das Hochwasser hat wohl schon einige Menschen das Leben gekostet. Am Freitagabend stürzte vermutlich ein 67-Jähriger in Bräunlingen (Baden-Württemberg) in die Breg. In Auerbach im Erzgebirge wird seit Freitagmorgen eine 77-Jährige vermisst, die möglicherweise in einen Hochwasser führenden Bach gestürzt ist. In Bayern fehlt seit Mitte letzter Woche von einem Schleusenarbeiter jede Spur. Allem Anschein nach ist er in die Traun gefallen. In Nordrhein-Westfalen ertrank am Montag ein 53-jähriger Rollstuhlfahrer, der in der Nähe von Aachen in einen Fluss stürzte. Der Mann war nach Polizeiangaben auf einem Radweg unterwegs und wollte eine vom Hochwasser ausgespülte Stelle umfahren. Auf weichem Untergrund kippte sein Rollstuhl um und stürzte in die Rur, einen Nebenfluss der Maas. In Belgien wurden nach Medienberichten zwei Mädchen vermisst, die beim Spiel in die Maas gefallen waren. Ähnliche Vorfälle gab es in der vergangenen Woche in Thüringen an der Unstrut, in Niedersachsen an der Emmer und der Rems in Baden Württemberg.

Auf Teilen der Elbe Schifffahrt eingestellt

Das Hochwasser der Elbe hat dazu geführt, dass Schiffe die Brücken nicht mehr passieren können, wie der Leiter des Wasser- und Schifffahrtsamtes Magdeburg, Friedrich Koop, mitteilte. Auf dem Flusslauf zwischen Tschechien und Sachsen-Anhalt wurde die Schifffahrt eingestellt. Zuletzt habe es 2006 eine vergleichbare Situation gegeben, sagte Koop. „Nach den Prognosen erwartet uns ein langandauernder Hochwasserscheitel.“ Experten rechnen für den Landkreis Prignitz mit einer Hochwasserperiode, die drei bis vier Wochen dauern könnte. Angespannt ist die Lage weiterhin auch an der Saale, der Schwarzen und der Weißen Elster sowie an der Bode. Die Stadt Halle forderte die Bewohner in Halle-Neustadt auf, vorsorglich ihre Keller zu räumen und gegebenenfalls Pumpen zu installieren. Da das Wasser der Saale wegen des Hochwassers schlecht abfließen könne, sei auch das Grundwasser stark gestiegen. In Halle-Neustadt leben etwa 45000 Menschen. Der Saale-Pegel Halle-Trotha zeigte am Montag 6,89 Meter, drei Zentimeter unter dem am Sonntagabend erreichten Scheitel der Hochwasserwelle, dem höchsten Wasserstand seit 1955. Normal sind zwei Meter.

An der Donau gingen die Wasserstände deutlich zurück. In der Drei-Flüsse-Stadt Passau lag der Pegel der Donau am Nachmittag um 120 Zentimeter unter dem Höchststand von 9,07 Metern vom Freitag, Tendenz weiter fallend. „Auch die Schneeschmelze spielt keine Rolle mehr“, sagte ein Sprecher des Hochwassernachrichtendienstes. „Das meiste ist weg.“ In vielen anderen Städten und Gemeinden begann bereits das große Aufräumen. In Regensburg wurden die Schutzwände abgebaut und gereinigt, damit sie im Fall des Falles wieder einsatzbereit sind. An der Werra in Nordhessen war das Wasser am Wochenende stark gestiegen, am Montag gab es noch einen leichten Anstieg. Auch an der Fulda wurden noch steigende Pegelstände erwartet. Nach der Havarie eines Tankschiffs im Rhein warten dort schätzungsweise 200 Schiffe auf die Weiterfahrt. Der Rhein zwischen Mainz und Koblenz war zudem wegen Hochwassers gesperrt. Der mit 2400 Tonnen Schwefelsäure beladene deutsche Tanker liegt nahe des Loreleyfelsens auf der Seite. Diese Woche soll sich der Winter mit Frost und Schnee zurückmelden. Der Wind über der Nordsee dreht allmählich auf Nord, so dass kalte Luft die Temperaturen wieder deutlich senken wird. Die Kaltfront von Tief „Evangelos“ werde Deutschland in den nächsten Tagen überqueren und die Temperaturen wieder gegen den Gefrierpunkt drücken, sagte Meteorologin Johanna Anger vom Deutschen Wetterdienst (DWD) in Offenbach. Das bedeutet zunächst Regen, ab Mittwoch Schnee auf den Bergen, und am Donnerstag auch im Flachland Schneefall. (dpa)