Das Wetterphänomen löste die Flut in Australien ebenso aus wie die russische Dürre und den kühlen deutschen Sommer 2010.

Brisbane. Während Australien gegen die schlimmsten Überschwemmungen seit Jahrzehnten kämpft, leben in Pakistan noch immer Millionen Menschen neben den Trümmern, die die Flutkatastrophe vom vergangenen Sommer (1700 Tote) hinterlassen hat. Auch die Bilder von der verheerenden Dürre zur gleichen Zeit in Russland sind noch präsent. Es scheint, als schlage die Natur - mal nass, mal heiß - mit zunehmender Wucht zurück. Jetzt sind sich Forscher einig: All diese Phänomene haben eine gemeinsame Wurzel, und die liegt im tropischen Pazifik.

Alle drei bis fünf Jahre zeigt sich die "kalte Schwester" von El Niño

Auf dem Meer registrieren Meteorologen, Ozeanografen und Klimaforscher wie Mojib Latif vom Kieler Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) Klimaphänomene, die unter den Namen El Niño (span: "Christuskind") und La Niña ("Das Mädchen") weite Teile der Erde beeinflussen. El Niño ist eine kühle Meeresströmung, die meist zur Weihnachtszeit auftritt. Die "kalte Schwester" folgt ihm auf dem Fuße.

Zwischen Indonesien und dem Nordosten Australiens aber machen sich ihre Auswirkungen besonders stark bemerkbar. Schon 1893 und 1974 hatte diese Wetterkonstellation Australien schwere Überschwemmungen beschert. Diesmal allerdings ist es so schlimm wie noch nie. Die Wassermassen schießen durch die Straßen von Brisbane, im Stadion steht die braune Brühe brusthoch, Tierkadaver treiben an der Oberfläche. Mancherorts stieg das Wasser bis zur Spitze von Verkehrsampeln. Das Geschäftsviertel wirkte wie eine Geisterstadt. Zahlreiche Bewohner suchten auf höher gelegenem Gebiet Zuflucht, andere waren fieberhaft damit beschäftigt, ihre Möbel zum Schutz vor den Fluten auf dem Dach ihres Hauses zu stapeln. Bürgermeister Campbell Newman sagte, mindestens 20 000 Häusern drohe die Überflutung. Der Pegel des Hochwasser führenden Brisbane River soll heute seinen Höchststand erreichen. Die Ministerpräsidentin von Queensland, Anna Bligh: "Die Stadt ist viel größer, dichter besiedelt und steht in Teilen unter Wasser, die 1974 noch gar nicht existierten."

Das Klimaphänomen, das alle drei bis fünf Jahre im Pazifik auftritt, sei diesmal besonders intensiv, bestätigt auch Gudrun Rosenhagen vom Maritimen Monitoring Center des Deutschen Wetterdienstes (DWD). "Die aktuelle La-Niña-Situation ist ungewöhnlich stark ausgeprägt. Sie wirkt sich voraussichtlich noch bis in den australischen Herbst aus - also mindestens bis März."

Bei La Niña erwärmt sich im Westpazifik die Meeresoberfläche stark, gleichzeitig kühlt sich das Wasser im Ostpazifik vor der südamerikanischen Küste ab. Die Folge sind heftige Ost-Passatwinde über dem indonesischen Archipel. Aufsteigende heiße Luft sorgt dort für intensive Niederschläge und schwere Gewitter.

Die jüngste La-Niña-Periode begann im Juni 2010. "Die vom Klimawandel um ein paar Zehntel Grad erhöhten Wassertemperaturen verstärken die Verdunstung und damit auch die Niederschläge weiter", sagt Mojib Latif. Bereits im Juli desselben Jahres verstärkte La Niña den Monsun über Indien und löste die verheerenden Überschwemmungen in Pakistan mit aus. Dadurch wurde auch ein Tiefdruckgebiet verstärkt, das sich jeden Sommer über dem Hochland von Tibet bildet. Das wiederum verstärkte ein Hoch, das im Juli und August 2010 über großen Teilen Russlands lag und Rekordhitze, Dürre und Waldbrände brachte. Noch weiter im Westen bildeten sich dann wieder Tiefdruckgebiete, die ebenfalls ungewöhnlich stark ausfielen und Anfang August in Tschechien, Polen und dem Osten Deutschland Extremniederschläge und Hochwasser brachten.

In der Karibik gab es eine besonders starke Hurrikan-Saison

Der kalte Arm des südamerikanischen Mädchens reichte aber nicht nur bis Mitteleuropa, sondern brachte auch der Karibik eine Hurrikan-Saison, die zu den stärksten jemals registrierten gehörte. Nur mit dem außergewöhnlich kalten und schneereichen Dezember 2010 in Mitteleuropa hatte La Niña nichts zu tun.