Zehn Menschen sterben bei schweren Überschwemmungen im Nordosten Australiens. Reptilien flüchten in Häuser

Rockhampton. Die vier deutschen Touristen waren gewarnt. Die Straße über den Magela-Fluss stand einen Meter unter Wasser. Dennoch wollten die zwei Frauen und zwei Männer ihre Tour im Wagen mit Allrad-Antrieb durch den australischen Kakadu-Nationalpark bei Darwin (Northern Territory) unbedingt fortsetzten. Sie rasten auf die überschwemmte Straße. Dann fiel der Motor aus. Das Auto blieb in der Mitte des Flusses, der von Krokodilen wimmelt, stecken. Die vier flüchteten sich aufs Dach. Nach 30 Minuten konnte die Polizei sie in Sicherheit bringen.

Andere Menschen kamen bei den verheerenden Überschwemmungen im Nordosten Australiens weniger glimpflich davon. Insgesamt gibt es zehn Tote. Gestern wurden im besonders betroffenen Bundesstaat Queensland die Leichen eines seit Tagen vermissten Mannes sowie eines von den Fluten fortgerissenen Autofahrers gefunden. Bereits am Wochenende war eine Autofahrerin beim Versuch, eine überschwemmte Straße zu passieren, ertrunken.

Rund 200 000 Menschen und 22 Städte in ländlichen Gebieten sind von der Katastrophe betroffen. In der 75 000-Einwohner-Stadt Rockhampton, 600 Kilometer nördlich von Brisbane, soll der Pegel noch bis morgen weiter ansteigen. Gestern stand das Wasser neun Meter über dem normalen Pegelstand. Viele Bewohner hatten dort bereits in der Nacht zum Sonnabend ihre Häuser verlassen müssen. Der wichtige Regionalflughafen wurde geschlossen, die Straßen im Süden und Westen sind wegen der Überschwemmungen blockiert. Nur noch die Boote des Katastrophenschutzes erreichen die überflutete Küstenstadt. Armeeflugzeuge brachten Nahrung und Medikamente.

Dort, wo das Wasser abfließt, droht jetzt Gefahr durch Schlangen

Die Regierungschefin von Queensland, Anna Bligh, überflog das Gebiet und sagte im Anschluss, es sehe so aus, als liege Rockhampton "inmitten eines Binnenmeeres". Die australische Premierministerin Julia Gillard kündigte Hilfsgelder an. "Hunderte Millionen Dollar" würden nach Queensland fließen. Von den schwersten Überschwemmungen seit rund 50 Jahren ist insgesamt eine Fläche von der Größe Deutschlands und Frankreichs zusammen betroffen. Es wird mit Schäden in Milliardenhöhe vor allem in der Landwirtschaft, im Bergbau, bei Kleinbetrieben und im Tourismus gerechnet.

Außerhalb von Rockhampton stehen weitere riesige Landstriche unter Wasser. Dort warnten die Behörden die Bewohner vor hochgiftigen Schlangen und Spinnen sowie Krokodilen. Sie kommen bei der Suche nach einem trockenen Plätzchen den Bewohnern in die Quere. "Besonders in Häusern, die teilweise trocken geblieben sind, dürfte sich einiges Getier tummeln", sagte Greg Goebel, Chef des Roten Kreuzes. "Die Schlangen kriechen in Häuser, auf Bäume - egal wohin, Hauptsache weg vom Wasser", sagte ein Reptilien-Experte. Der Gesundheitsdienst stockte seine Vorräte an Gegengift auf, berichtete die Zeitung "Australian". Der Bürgermeisters von Rockhampton, Brad Carter: "Schlangen schwimmen den Leuten zu Füßen, während sie sich den Weg durch das Wasser bahnen."

Die Überschwemmungen in Australien sind in den Zahlen, die der weltgrößte Rückversicherer Münchener Rück gestern veröffentlichte, noch nicht enthalten. Dennoch kommen die Naturkatastrophen 2010 die Versicherungsbranche teuer zu stehen. Der versicherte Schaden sei verglichen mit dem Vorjahr weltweit um gut zwei Drittel auf 37 Milliarden Dollar gestiegen.

2010 starben weltweit 300 000 Menschen bei Naturkatastrophen

2010 schlugen bei den Versicherungsfirmen vor allem die Beben in Chile und Neuseeland negativ nieder. Das Beben in Haiti forderte mit 223 000 Toten die meisten Menschenleben. Es spielte finanziell aber ebenso eine untergeordnete Rolle wie die Fluten in Pakistan. Weltweit starben der Münchener Rück zufolge im vergangenen Jahr fast 300 000 Menschen durch Naturkatastrophen. Der volkswirtschaftliche Schaden habe sich auf 130 Milliarden Dollar mehr als verdoppelt. Insgesamt erfasste der Rückversicherer 950 Katastrophen.