Die Gemeinde „Jews for Jesus“, messianische Juden, glauben an Jesus als Heilsbringer. Per Definition macht sie das zu Christen.

Tel Aviv. Das Wetter kann im Heiligen Land kaum ungemütlicher sein, als die Proben beginnen. Palmenblätter flattern bei 15 Grad im Wind, Regentropfen platschen auf das Wellblechdach. Besinnlich ist es drinnen, in der Kapelle. „Stille Nacht, Heilige Nacht“, singen Frauen und Männer am Klavier. Ein Geburtstagslied für Jesus, das in dieser Gegend selten zu hören ist. Juden feiern Weihnachten nicht, streng genommen ist dieses Fest gar ketzerisch. Da überrascht es, als Dan Sered aufsteht und sagt: „Aber ja, wir sind Juden“.

Ein Besuch der Gemeinde in einem schmucklosen Vorort von Tel Aviv führt auf brisantes Gebiet. Die „Jews for Jesus“, messianische Juden, glauben an Jesus als Heilsbringer. Per Definition macht sie das zu Christen. Ein Widerspruch, der auch an Ursprünge erinnert. Und an religiösen Sprengstoff, der über die Festtage anderswo selten Thema ist.

An der Wand hängt kein Kreuz, sondern das Bild einer Menora, des jüdischen Leuchters mit sieben Armen. Dan Sered, er ist Direktor der „Jews for Jesus“ in Israel, steht davor. Er predigt im Polohemd. Das muss reichen, wenn man über den Teufel spricht. Ein Beamer strahlt zwei Kreise an die Wand: Links steht darin „Kinder Gottes“, rechts „Keine Kinder Gottes“. Er zitiert Jesus nach dem Johannes-Evangelium. „Ihr habt den Teufel zum Vater und ihr wollt das tun, wonach es euren Vater verlangt“. Laut Bibel sagte Jesus das zu Vertretern des jüdischen Establishments. Sie drohten ihn zu steinigen, denn er behauptet, Gottes Sohn zu sein.

Dan Sered Botschaft ist so klar wie radikal: „Nur wer Jesus glaubt, wird ein Kind Gottes“, Er fügt hinzu. „Nicht ich sage das, Jesus sagt das“.

Nun ist die Gemeinde über jenen Antisemitismus erhaben, den Christen immer wieder aus dem Evangelium abgeleitet haben. Es gilt modernen Theologen als böswillige Interpretation, Jesus habe alle Juden als Kinder des Teufels bezeichnet. Gerade erst hat Dan Sered mit seiner Familie Chanukka gefeiert, das jüdische Lichtfest. Seine drei Kinder hatten Schulferien, sie haben Geschenke ausgepackt und Latkes gegessen, in Öl gebackene Kartoffelpuffer mit Sahne. An Chanukka feiern die Juden ihre Rückkehr in den Jerusalemer Tempel im Jahr 164 vor Christus. Damals zündeten sie die Kerzen wieder an, mit einer einzigen verbliebenden Flasche geweihten Öls. Die reichte, ein Wunder, acht Tage lang.

Weihnachten feiern die messianischen Juden dagegen nur klein. „Mal ehrlich, niemand weiß, an welchem Tag Jesus geboren wurde“, sagt Dan Sered. Am 25. Dezember treffen sie sich zu einem Gottesdienst. Vielleicht stellen sie einen Tannenbaum auf, viele aus Osteuropa stammende Mitglieder wünschten sich das. „Es ist nicht wichtig, wann und wie man feiert, sondern was man feiert.“

Dan Sered ist ein ruhiger Mensch, auch, wenn er angegriffen wird. Denn gerade in Israel ist brisant, was das Weihnachtsfest bedeutet. An Jesus zu glauben, heißt auch, die Nachricht der Ankunft des Messias zu verbreiten. Es ist aber gesetzlich verboten in Israel, Juden zu missionieren. Seit dem Holocaust halten sich christliche Kirchen damit auch weltweit zurück. Man akzeptiere das Judentum als Heilsweg, lautet die Begründung. Die „Jews for Jesus“ in Israel aber trifft man auch auf der Straße, sei verteilen das Neue Testament und hatten auch Anzeigen im Radio und in Zeitungen geschaltet. Der Privatsender „Hot“ warnte kürzlich vor dem „wachsenden Phänomen“ des Missionierens.

„Wer einen Juden missioniert, tötet eine Seele“, sagte Zephaniah Drori, Rabbiner in Galiläa, dem nördlichen Teil des Landes, wo besonders viele Messianische leben. Dort hat sich eine Gegenbewegung formiert, laut Medienberichten gab es gewalttätige Übergriffe auf Mitglieder von „Jews for Jesus“. Und Ravi Feuerstein, Rabbiner in Jerusalem, sagte in einer Diskussionsrunde im öffentlich-rechtlichen Fernsehen über Dan Sered: „Die Juden haben feindliche Übergriffe über Jahrtausende überstanden, und nun kommt ein Landsmann, der das jüdische Herz trifft“. Jesus könne, bei aller Toleranz, nicht der wahre Heilsbringer sein. „Wo war der Messias, als Auschwitz passierte?“ Dan Sered, der ebenfalls zu Talkshows eingeladen wird, beruft sich auf Meinungsfreiheit - was der oberste Gerichtshof auch bestätigt hat. „Israel kann eben nicht dann ein Demokratie sein, wenn es den Machthabern gerade passt“, sagt Sered. Er wolle niemanden überzeugen, sondern seien Glauben präsentieren. Zwischen 6000 und 15.000 messianische Juden im Heiligen Land sind dieser Meinung. Jesus, der unstrittig Jude war wie auch seine Jünger, wird im hebräischen Y'shua genannt. „Er ist der Messias für Israel und die Juden, so wie es vorausgesagt wurde".

Zu seinem neuen Glauben fand Sered in den USA: Seine heutige Frau bekehrte ihn. Mit seinen Eltern, „ganz normale säkulare israelische Juden“, wie Sered sagt, habe er nur noch wenig Kontakt. Er erzählt von Schlägen, mit denen sein Vater ihn aus dem Haus trieb. Auch in anderen Ländern leben die messianischen Juden zwischen den Fronten, denn auch christliche Gemeinden begegnen ihnen mit Skepsis. Auf dem Deutschen Kirchentag in diesem Jahr durfte jedoch erstmals ein Rabbi in einer evangelischen Messe das Abendmahl austeilen. Beobachter werten das als zaghafte Öffnung.

Dan Sered will auch weiterhin für seine Sache kämpfen: „Als Jude bin ich geboren“, sagt er. „Für Jesus aber habe ich mich entschieden“.