Nahende Züge wurden von Kollegen offenbar zu spät bemerkt. Gewerkschaft besorgt über Häufung der Unfälle

Köln/Berlin/Wunstorf. Der Mann arbeitete zusammen mit seinem Kollegen rund 200 Meter vom Bahnhof Wunstorf (Region Hannover) entfernt an einer vereisten Weiche. Offenbar war der 56-Jährige so sehr in sein Werk vertieft, dass er den Zug nicht kommen hörte. Ob es ein Warnsignal gab, ist noch nicht geklärt.

Ein ICE-Zug erfasste den Arbeiter und tötete ihn auf der Stelle. Ein 58 Jahre alter Kollege konnte gerade noch rechtzeitig zur Seite springen und erlitt einen Schock, ebenso wie der Lokführer. Offenbar bemühte sich der Kollege nach dem Unglück, Hilfe zu holen, und galt deshalb zeitweise als vermisst. In dem Zug, der erst 1000 Meter hinter der Unfallstelle zum Stehen kam, saßen 60 Reisende. Der Verkehr auf der Strecke Hannover-Ruhrgebiet wurde für mehrere Stunden unterbrochen.

Zwei Arbeiter starben in Köln, als sie Weichen von Eis befreien wollten

Es ist bereits der vierte Todesfall bei der Deutschen Bahn in zwei Tagen. Erst in der Nacht zu gestern war eine Regionalbahn bei Köln in einen Bautrupp gerast, der ebenfalls Weichen von Schnee und Eis frei schaufeln sollte. Zwei Arbeiter starben. Auch hier ist unklar, warum sie das Signal überhörten. In Berlin hatten am Sontag zwei Gleisarbeiter eine S-Bahn zu spät bemerkt. Ein 47-Jähriger starb, sein 20 Jahre alter Kollege kam schwer verletzt ins Krankenhaus.

Warum die Arbeiter zu spät auf die herannahenden Züge reagierten, war zunächst völlig offen. "Es gibt klare Regeln, wer wann auf die Gleise darf", sagte ein Bahnsprecher. Zu den aktuellen Fällen wollte er sich wegen der laufenden Ermittlungen nicht äußern. Grundsätzlich sei es aber so, dass immer ein Mann arbeite und ein anderer sichere. Die Möglichkeit, dass derjenige, der eigentlich achtgeben solle, auch mal die Warntröte zur Seite lege und mit anpacke, bezeichnete der Sprecher als reine Spekulation. Es sei zu früh, die Unfälle miteinander zu vergleichen, sagte der Bahnsprecher. "Die Ermittlungen laufen, erst wenn diese abgeschlossen sind, wissen wir, ob es gemeinsame Unfallursachen gibt." Selbiges gelte für die Frage, ob die Unfälle mit strengeren Sicherheitsvorschriften womöglich hätten verhindert werden können. Die Deutsche Bahn bedauere die Unfälle sehr, sagte er und sprach den Angehörigen der Opfer sein Mitgefühl aus.

Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) äußerte sich nach den Unfällen besorgt. "Das ist schon ein deutlicher Warnschuss, der Winter hat ja gerade erst begonnen", sagte EVG-Sprecher Oliver Kaufhold in Berlin. Gewiss steige die Wahrscheinlichkeit von Unfällen, wenn Tausende von Eisenbahnern im Wintereinsatz unterwegs seien. Es sei aber zu hoffen, dass die vier Todesfälle binnen kurzer Zeit wirklich nur Zufall seien. Die Sicherung von Gleisbaustellen sei "hunderttausendfach eingespielt", sagte Kaufhold. Am Anfang und am Ende jeder Baustelle müssten Sicherungsposten stehen. Ebenso wie der Bahnsprecher appellierte er, die Vorschriften einzuhalten.

"Die Polizei ermittelt wegen fahrlässiger Tötung gegen unbekannt", sagte ein Polizeisprecher über das Unglück in Köln. Die beiden 40 und 41 Jahre alten Opfer hatten eines der Notfallteams gebildet, die bei Störungen von der Bahn eingesetzt werden. Der Trupp hatte nach ersten Ermittlungen die Aufgabe, Weichen vom Schnee zu befreien. Unklar ist, ob der 61 Jahre alte Lokführer über die Bauarbeiten informiert war. Er erlitt einen Schock. Zwei weitere Arbeiter, die an einer anderen Stelle ähnliche Räumarbeiten erledigten, wurden nicht verletzt. Die mit 50 Fahrgästen besetzte Regionalbahn stand nach dem Unglück gegen Mitternacht mehr als eine Stunde auf freier Strecke.

Auch die Berliner Kripo steht noch vor einem Rätsel, fragt sich, wie es zum Unfall kommen konnte. Das Opfer, der 47 Jahre alte Bahnmitarbeiter, soll obduziert werden. Der Kollege des Toten liegt im Krankenhaus und ist noch nicht vernehmungsfähig.