Flüchtlingsboot zerschellt vor der australischen Weihnachtsinsel. Mindestens 50 Menschen ertrinken im Meer

Singapur. Nach monatelanger Flucht aus der Heimat ist für Dutzende Flüchtlinge die Freiheit zum Greifen nah. Dann die Katastrophe: Nur wenige Meter vor der rettenden Küste zerschellt ihr Boot an den Klippen der australischen Weihnachtsinsel. Messerscharfe Felsen werden den Menschen zum Verhängnis. Vor den Augen der entsetzten Inselbewohner wird das völlig überfüllte Boot zu Kleinholz zerschlagen. Menschen ringen mit dem Tod, versinken schließlich im aufgewühlten Wasser. Wahrscheinlich kamen 50 Insassen ums Leben. "30 Menschen wurden verletzt geborgen", sagte Joeley Pettit-Scott, Sprecherin der Organisation Fliegende Ärzte.

Die schreienden Flüchtlinge klammerten sich in Todesangst an die Trümmerteile des Bootes. Die Wucht der Wellen schleuderte viele immer wieder gegen das Gestein, als seien sie Puppen, mit denen die Wellen ihr grausames Spiel treiben. Andere wurden vom Sog unter Wasser gezogen. "Es war wie ein Horrorfilm in Zeitlupe", sagte ein Augenzeuge im australischen Rundfunk. "Bei so einem Sturm mit der Strömung und vier Meter hohen Wellen ist das wie eine Waschmaschine", sagte ein anderer Zeuge. "Es gab kaum Hoffnung."

Das zwölf Meter lange rote Holzboot tauchte im Morgengrauen vor der Nordostküste der Insel auf, an der Flying-Fish-Bucht. An Bord waren nach Schätzungen 90 Menschen aus dem Iran und dem Irak, unter ihnen viele Frauen und Kinder. Das Boot muss in der Nacht in Indonesien gestartet sein, eine übliche Route der Menschenschmuggler, die die Flüchtlinge gegen viel Geld zur Weihnachtsinsel bringen. 41 wurden nach Angaben der australischen Regierung gerettet. Immerhin waren einige Schwimmwesten an Bord.

Die Nachricht von der Katastrophe verbreitet sich wie ein Lauffeuer

Die Angstschreie der Kinder vor den steilen Klippen alarmierten die ersten Einwohner. Die Nachricht der Menschen in Seenot verbreitete sich unter den nur 1400 Einwohnern wie ein Lauffeuer. "Es sah erst gut aus. Das Boot war fast in der Bucht", berichtete ein Augenzeuge der Zeitung "Western Australian". "Aber dann kam eine Riesenwelle und schleuderte es auf die Klippen. Dann war alles vorbei."

Die Wellen krachten ohne Unterlass an das Gestein und rissen die Menschen mit. "Wir haben Seile und Schwimmwesten ins Wasser geworfen aber niemand schaffte es, sie zu packen", sagte eine Frau der Zeitung.

"Die größte Tragödie ist, dass wir alle dastanden und absolut nichts ausrichten konnten", berichtete Philip Stewart im Rundfunk. "Ein Marineschiff war da mit zwei kleineren Rettungsbooten, aber die konnten die Leute auch nicht erreichen. Von den sieben Menschen, die wir beobachtet haben, haben sechs es nicht geschafft. Einer sprang ins Wasser und schwamm aufs Meer hinaus - er wurde dort von einem Boot gerettet." Viele der Opfer konnten nach Angaben der Augenzeugen aber gar nicht schwimmen.

Für die Menschen an Bord nahm damit eine wahrscheinlich monatelange, Tausende Kilometer weite Flucht nur wenige Meter vor dem Ziel ein schreckliches Ende. Sie wollten in Australien ein neues Leben beginnen. Die Weihnachtsinsel liegt nur 360 Kilometer südlich der indonesischen Insel Java. Auf dem 135 Quadratkilometer großen Eiland ist ein Asylzentrum. Dort werden die Flüchtlinge untergebracht, wenn die australische Küstenwacht Schlepperboote aufbringt. 2000 Ausländer sind schon dort. Die Australier bearbeiten ihre Anträge. Wer als Flüchtling anerkannt wird, darf auf das australische Festland und bekommt damit die Chance, in Freiheit und bescheidenem Wohlstand ein neues Leben zu beginnen. Ein verlockendes Angebot, das immer mehr Menschen anzieht.

Die Opposition kritisiert die Flüchtlingspolitik

Die Flüchtlingstragödie wurde in Canberra sofort zum Politikum. Dass die linke Labor-Partei illegalen Flüchtlingen überhaupt Chancen auf ein Bleiberecht einräume, lade die Schlepper geradezu ein, Menschen zur Weihnachtsinsel zu bringen, kritisierte die konservative Opposition. Nach Angaben der Regierung sind im vergangenen Haushaltsjahr 118 Schlepperboote mit 5609 Menschen aufgebracht worden. Wie viele es tatsächlich an die Küsten schafften, weiß niemand. Die Dunkelziffer dürfte weit höher sein. Die australische Regierungschefin Julia Gillard unterbrach ihren Weihnachtsurlaub wegen des Unglücks.