Drei im Pazifik verschollene Jungen wurden wie durch ein Wunder gefunden. Eltern hatten sie schon für tot erklärt

Wellington. Die Eltern gingen davon aus, dass ihre Kinder ertrunken waren, und hielten auf der Insel Atafu, einem zu Neuseeland gehörenden Atoll im Pazifik, einen Trauergottesdienst ab. Doch Samuel Perez, Filo Filo, beide 15, und Eduard Nasau, 14, überlebten 50 Tage auf offener See. Die Jungen trieben in einem winzigen Aluminiumboot im Pazifik. Lediglich ein paar Kokosnüsse hatten sie als Proviant dabei. Um zu überleben, fingen sie eine Möwe und aßen sie roh. Gelegentliche Regenfälle bewahrten sie vor dem Verdursten. In den letzten Tagen vor ihrer Rettung blieb der Regen dann aus. In ihrer Not begannen sie Meerwasser zu trinken.

Dann endlich entdeckte ein neuseeländischer Thunfischkutter die Jugendlichen nordöstlich der Fidschi-Inseln, mehr als 1300 Kilometer von ihrer Heimatinsel in den Tokelau-Atollen entfernt. "Es war ein Wunder", sagte der Maat der "San Nikunau", Tai Fredricsen. Angesichts dessen, was sie durchgemacht hatten, seien sie gut beieinander gewesen - ausgemergelt zwar und von der Sonne verbrannt, aber "eigentlich brauchten sie nur ein bisschen Erste Hilfe: Salbe, um ihre Verbrennungen zu kühlen". Die Rettung war eine glückliche Fügung. Denn die Crew hatte sich für eine schnelle Route Richtung Heimat entschieden, die sie normalerweise nicht benutzte. Auch die Chance der Jungen, überhaupt gesehen zu werden, war sehr gering. So hatte die neuseeländische Marine tagelang vergeblich nach ihnen gesucht.

"Auf dem Ozean bist du nichts", sagt Überlebens-Spezialist Rüdiger Nehberg, 75. "Es genügen Wellen von einem Meter Höhe, und das Boot, auf dem du treibst, ist nicht mehr zu sehen." Der Abenteurer weiß, wovon er spricht. Er überquerte im Jahr 2000 den Atlantik von Nouakchott (Mauretanien) nach Fortaleza in Brasilien, um zum 500. Jahrestag der Kolonisierung Brasiliens für die Rechte der Indianer zu demonstrieren. 50 Tage auf offener See zu überleben hält er durchaus für möglich. Er habe schon von extremeren Fällen gehört. So sei ein Chinese nach mehr als 100 Tagen gerettet worden. Fürs Überleben gebe es kein Patentrezept, aber einige Tricks, die dabei helfen könnten. "Das Problem ist meistens das Verdursten und nicht das Verhungern", sagt Nehberg. Ein Mensch kommt ohne Wasser drei Tage aus, ohne Essen drei Wochen. Entscheidend seien Regenwasser, ein guter körperlicher Zustand und ein starker Überlebenswillen.

Wenn möglich, sollte man sich vor Wind und Sonne schützen, beispielsweise mit einer Plastikplane, "damit man nicht austrocknet wie Wäsche auf der Leine", so Nehberg. Sprechen und Schreien koste viel Feuchtigkeit und sollte vermieden werden. Um zu verhindern, dass der Körper schwitzt und so lebenswichtige Flüssigkeit abgibt, hilft es, seine Sachen in Salzwasser zu tauchen. "Das kühlt den Körper." Gerät Salzwasser ins Boot, sollte man es ausschöpfen, sobald sich Regen ankündigt. Das Wasser lasse sich in ausgelegter Kleidung einfangen.

Während seiner Reise, erzählt Nehberg, setzten sich hin und wieder Vögel auf den Rand des Bootes. Fangen konnte er sie nie. Aber manchmal sprangen Fische ins Boot oder Nehberg fing sie mit der Hand, wenn sie darunter Zuflucht suchten. Genauso wichtig wie die physische Konstitution ist die mentale Verfassung, glaubt Nehberg. "Je unerfahrener der Schiffbrüchige, desto eher kommt Panik auf. Die beschleunigt den Herzschlag und das Ende des Lebens."

Die Jungen, die am 5. Oktober mit dem Boot aufgebrochen waren, scheinen alles richtig gemacht zu haben. Sie wurden in einem Krankenhaus in der Fidschi-Hauptstadt Suva versorgt und werden nach dem Flug nach Samoa erneut ein Boot besteigen, um zu den Tokelau-Inseln heimzukehren.