Port au Prince. Hundert Jahre war sie ausgerottet, jetzt ist die Cholera im Département Artibonite im Nordwesten Haitis entlang des gleichnamigen Flusses wieder ausgebrochen. Seit vergangener Woche sind 304 Menschen durch die Seuche ums Leben gekommen, mehr als 4770 haben sich infiziert und müssen in Krankenhäusern behandelt werden. Dabei hat die Epidemie nach Einschätzung von Experten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ihren Höhepunkt noch nicht erreicht. "Wir können nicht sagen, dass sie unter Kontrolle ist", sagte die WHO-Koordinatorin für Cholera, Claire-Lise Chaignat. Sie riet den haitianischen Behörden, sich für den Fall vorzubereiten, dass die Krankheit auf die Lager mit Erdbebenopfern rund um die Hauptstadt Port-au-Prince übergreift.

Unterdessen scheint die Ursache für den Ausbruch der Cholera doch noch nicht geklärt zu sein. Nachdem Anfang dieser Woche das verschmutzte Wasser des Artibonite-Flusses als Infektionsherd ausgemacht worden war, gehen nun Gerüchte um, dass womöglich Soldaten der Uno-Friedenstruppen aus Nepal die Seuche eingeführt haben könnten. Chaignat wies diese Hypothese jedoch als "völlig unmöglich" zurück und sagte, es sei nicht das erste Mal, dass der Auftritt von Cholera in einem Land unerklärbar bleibe.

Die Krankheit verunsichert die Haitianer so sehr, dass sie sogar ein Behandlungszentrum für Cholerakranke in Saint-Marc im Zentrum des Landes gestürmt haben. Die Anwohner verbrannten Zelte und warfen Steine auf Rettungskräfte, da sie fürchteten, dass ihre Kinder durch die Seuche gefährdet sein könnten. Das Zentrum mit rund 400 Betten sollte in der Nähe eines überfüllten Krankenhauses in Saint-Marc eröffnet werden. Der Arzt Yfto Maquette von der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen sprach von einem "großen Missverständnis". "Die Idee war, die Patienten aus dem überfüllten Krankenhaus zu holen, aber wir hätten erst mit den Menschen sprechen und ihnen erklären sollen, was wir tun", sagte Maquette. "Die Tatsache, dass wir nun keine Einrichtung zur Behandlung der Menschen haben, hält uns jetzt von einer wirkungsvollen Behandlung ab", erklärte ein weiterer Mitarbeiter der Organisation. "Wir müssen den Menschen erklären, dass wir Erfahrung bei der Behandlung von Cholera haben." Ob und wo das Zentrum nun gebaut wird, blieb unklar.

Doch es gibt auch gute Nachrichten. Dank Gegenmaßnahmen geht die Sterblichkeitsrate von zehn auf 7,7 Prozent zurück. "Die Tatsache, dass wir weniger schwere Fälle sehen, legt nahe, dass die Menschen Vorsorgemaßnahmen ergreifen und die Gemeinschaft besser die Notwendigkeit begreift, strikte Hygiene zu wahren", sagte ein Koordinator in Saint-Marc.