Die Cholera in Haiti forderte schon mehr als 200 Todesopfer. Nun hat sie die Hauptstadt Port-au-Prince erreicht

Port-au-Prince. Krankenhauspatienten liegen unter freiem Himmel und warten auf den Tod. Angehörige weinen und schreien und wissen vor lauter Verzweiflung weder ein noch aus. Szenen wie diese erschüttern zurzeit Haiti, den ohnehin sehr krisengeschüttelten Inselstaat in der Karibik: Die Cholera ist in dem Land ausgebrochen; am Wochenende hat die Infektionskrankheit auch die Hauptstadt Port-au-Prince erreicht.

Nach Angaben des Uno-Büros zur Koordinierung der humanitären Hilfe (OCHA) gab es fünf Todesfälle in der Hauptstadt. In Haiti insgesamt starben bereits mehr als 220 Menschen an der Cholera, rund 3000 werden aktuell wegen der Krankheit behandelt.

Die Krankheit - in Haiti eigentlich seit über 100 Jahren ausgerottet - war im Norden und im Zentrum des Landes entlang des Flusses Artibonite ausgebrochen. OCHA zufolge reisten alle fünf in Port-au-Prince bestätigten Todesopfer aus diesen Regionen in die Hauptstadt. Daher könne auch nicht von einer Ausbreitung der Cholera gesprochen werden. Cholera wird vor allem durch verschmutztes Wasser übertragen und ist hoch ansteckend. Wird die Krankheit nicht behandelt, ist sie durch die schnelle Austrocknung des Körpers und den großen Gewichtsverlust aufgrund von Durchfall und Erbrechen oft binnen Stunden tödlich.

Am stärksten betroffen ist die Region Artibonite. Es wird vermutet, dass eine starke Verschmutzung des Artibonite-Flusses die bakterielle Krankheit auslöste. Tausende Menschen nutzen das Wasser des Stroms täglich zum Waschen oder Kochen. Die Lage in der Provinz ist verheerend; David Darg, Direktor der Hilfsorganisation "Operation Blessing", berichtet von seinem Besuch dort: "Am Krankenhaus von Saint-Marc erlebten wir den reinen Horror. Ich musste mich durch eine riesige schreiende Menschenmenge quälen, die versuchte, ihre sterbenden Angehörigen in das Gebäude zu bringen. Im regennassen Hof lagen bereits zahlreiche Patienten. Kinder weinten in Agonie, andere, mit weit aufgerissenen Augen, bewegten sich nicht mehr, als Ärzte verzweifelt versuchten, sie zu behandeln. Das Hospital war überfordert und plötzlich gefangen vom schnellsten Killer, den es gibt: der Cholera."

Haitis Regierung hatte am vergangenen Freitag bestätigt, dass in dem Land die Cholera ausgebrochen ist. Dabei handele es sich um einen besonders gefährlichen Cholera-Stamm, sagte Gesundheitsminister Alex Larsen. Ihre Ausbreitung in den Griff zu bekommen, dürfte das Land besonders in Port-au-Prince nun vor enorme Probleme stellen. Dort nämlich leben seit dem verheerenden Erdbeben im Januar noch immer Tausende Menschen unter teils katastrophalen hygienischen Bedingungen in Notunterkünften.

Dagegen sagte ein Vertreter im Gesundheitsministerium, die Lage sei "unter Kontrolle": "Die Bevölkerung sollte nicht in Panik verfallen, aber die Menschen müssen die Hygiene sehr ernst nehmen." Gesundheitsminister Larsen und Staatschef René Préval waren am Sonnabend in den betroffenen Gebieten unterwegs. Die Behörden, so versicherten sie, bemühten sich darum, die Bevölkerung mit sauberem Trinkwasser zu versorgen, um eine weitere Ausbreitung der Cholera zu verhindern. Auch mehrere internationale Hilfs- und Entwicklungs-Organisationen sagten mittlerweile ihre Unterstützung zu.

Laut der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation blieb die benachbarte Dominikanische Republik von der Cholera bislang verschont. Die haitianische Regierung erstellte für die Grenzregion bereits einen Notfallplan, die Grenzen sollen aber vorerst offengehalten werden.

Indes steht Haiti demnächst womöglich eine weitere Katastrophe bevor: ein neues schweres Erdbeben. Bei dem verheerenden Beben mit rund 250 000 Toten Anfang dieses Jahres sei die unterirdische Spannung an einer berüchtigten geologischen Bruchstelle nämlich wahrscheinlich nicht freigesetzt worden, erklärte gestern ein US-amerikanisches Forscherteam.