Die Dreijährige wog zuletzt nur noch 8,2 Kilo

Nürnberg. Schützend hielt sich Patrick R. einen Aktenordner vors Gesicht, als er den Gerichtssaal im Nürnberger Justizgebäude betrat. Der 30-Jährige musste sich gestern vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth für den Hungertod seiner dreijährigen Tochter Sarah verantworten. Ursprünglich sollte er die Anklagebank mit seiner Ehefrau teilen, denn beiden wirft die Staatsanwaltschaft gemeinschaftlichen Mord und Misshandlung von Schutzbefohlenen vor. Weil Angela R., 27, jedoch an Krebs erkrankt ist, wurde das Verfahren gegen sie vorübergehend eingestellt.

Patrick R. starrte auf den Tisch vor sich, als die Staatsanwältin die Anklage verlas. Die Vorwürfe nahm der übergewichtige Mann weitgehend regungslos hin. Die Eltern sollen das dreijährige Kind über mehrere Monate hinweg stark vernachlässigt haben, sodass es am 10. August 2009 verhungerte. In seiner Not habe das Mädchen Einmalwindeln aufgerissen und den Zellstoff gegessen, sagte die Anklägerin. Wegen der völlig unzureichenden Ernährung und des Bewegungsmangels habe Sarah erhebliche Schmerzen gehabt.

Ein Arzt, der Sarah zwei Tage vor ihrem Tod in der Klinik aufgenommen hatte, schilderte ihren "fürchterlichen" Zustand. Sie habe hervortretende Sehnen, empfindliche Haut und Druckstellen gehabt und nach Urin gerochen. Die Dreijährige sei bereits vor der Einlieferung durch den Notarzt reanimiert worden. "Sie hatte nur einen schwachen Puls." Das Kind habe zu dem Zeitpunkt 8,2 Kilogramm gewogen - die Hälfte des Normalgewichts in dem Alter.

Vom Arzt nach den Gründen für den Zustand des Kindes befragt, hätten die Eltern auf eine Magen-Darm-Erkrankung verwiesen. "Sie sagten, dass Sarah prinzipiell an den Mahlzeiten der Familie teilnehme und dass da nichts aufgefallen sei", sagte der Zeuge.

Ein Polizist beschrieb die chaotischen Zustände in der Wohnung. Überall hätten Essensreste, offene Katzenfutter-Dosen sowie angefaulte und feuchte Wäsche in Müllsäcken gelegen. Geradezu unfreiwillig zynisch klang seine Beobachtung zu den Lebensmitteln im Haus: "Der Kühlschrank war gut gefüllt. Obst, Fleisch und Schokolade - es war alles da."