350 Menschen sieben Stunden lang ohne Toilette und Getränke. Freiheitsberaubung bei der AUfzeichnung von “Rettet die Million“.

Hamburg. Es ist schon erstaunlich, was man beim ZDF so für Primetimetauglich hält. Zur besten Sendezeit zeigte das Zweite am Mittwochabend mit „Rette die Million“ zwei volle Stunden lang ein Quiz, dessen herausragendes dramaturgisches Moment das Herumtragen von Geldbündeln ist. Die paarweise antretenden Kandidaten bekommen zu Beginn der Show eine Million Euro ausgezahlt, die sie in acht Fragerunden auf Antwortfelder platzieren müssen. Sind ihre Antworten falsch, fällt das Geld in einen Glasschacht. Antworten die Kandidaten richtig, dürfen sie das Geld behalten, das heißt, sie müssen die Bündel von den Antwortfeldern in eine andere Studioecke tragen. So vergeht viel Zeit.

Das ist aber offenbar gewollt. Denn im Mittelpunkt dieser Quizshow steht der grotesk überschätzte Moderator Jörg Pilawa ebenso wenig wie die Kandidaten. Hier ist die Million der Star. Und folglich konnte sich Pilawa zu Beginn von „Rette die Million“ kaum wieder einkriegen, als er mit weit aufgerissenen Augen erzählte, dass hier mit „barem (!) Geld(!!)“, sprich mit „echten (!!!) Scheinen (!!!!)“ gespielt wird. Und natürlich ist das Studio, in dem „Rette die Million“ aufgezeichnet wird, das „am besten bewachte“ in Köln. Toll!

Nun ist es ja richtig, dass hohe Gewinne ganz wesentlich den Reiz eines Quiz ausmachen. Und so durften die drei ersten Kandidatenpaare denn auch 100.000, 75.000 und 250.000 Euro mit nach Hause nehmen. Aber zu einer guten Quizshow gehört schon etwas mehr. Sie lebt auch von unterhaltsamen Dialogen zwischen Moderator und Kandidaten. Leider aber fördert die Versuchsanordnung von „Rette die Million“ nicht unbedingt die Konversation. Moderator und Kandidaten sitzen sich nicht gegenüber, sondern stehen, wenn nicht gerade mal wieder Geld durch die Gegend getragen wird, auf einer an eine Arena gemahnenden Bühne herum.

Zudem ist Pilawa nicht Günther Jauch. Und bei „Wer wird Millionär?“ wird wohl auch mehr Wert auf sorgfältiges Kandidaten-Casting gelegt als beim neuen ZDF-Quiz. Wobei die Ehefrau des ersten Paares, im Gegensatz zu ihrem drögen Gatten, durchaus Unterhaltungswert besaß. Ihrer Nervosität verlieh sie durch wildes Grimassieren und hysterisches Lachen Ausdruck. Den Eheleuten folgten zwei kichernde Klischee-Blondinen aus Düsseldorf. Schließlich durfte noch ein Mutter-Tochter-Gespann ran.

Bei Channel 4, wo das englische Original „The Million Pound Drop“ läuft, schätzt man die Attraktivität des Formats realistischer ein als beim ZDF. Die Show ist dort nur 65 Minuten lang – übrigens inklusive Werbepausen, die es im Zweiten nicht gibt. Und sie beginnt erst um 22 Uhr und nicht schon um 20.15 Uhr.

Die deutschen TV-Zuschauer waren zumindest an der ersten Ausgabe der Show interessiert. Mit 6,06 Millionen Zuschauern in der Spitze erreichte das ZDF den besten Wert des Abends: 19,8 Prozent Marktanteil.

Eklat bei Aufzeichnung

Sieben Stunden hätten die etwa 350 Besucher im Studio ausharren müssen – ohne Getränke und die Möglichkeit zur Toilette zu gehen, berichten die Zeitungen der WAZ-Mediengruppe (Essen/Freitagausgaben) und berufen sich auf Aussagen einer Besucherin. Selbst als die Show abgedreht war und die letzten Kandidaten die Bühne verlassen hatten, hätten die Zuschauer noch lange nicht nach Hause gehen dürfen. Es habe lautstarke Proteste gegeben.

Das ZDF bestätigte die Berichte im Großen und Ganzen, konnte aber zu Details keine Stellung nehmen. Die Vorgänge, also das Festhalten der Zuschauer im Studio über einen längeren Zeitraum, hingen mit den Sicherheitsauflagen wegen des hohen Bargeldbetrags zusammen, der bei der Show im Spiel war. Die Produktionsfirma Endemol habe der Versicherung das Prozedere zugesagt, erklärte der ZDF-Sprecher weiter. Bei Endemol war zunächst kein Verantwortlicher für eine Stellungnahme zu erreichen.

Moderator Pilawa bat um Entschuldigung: „Es tut mir extrem leid“, sagte er. „Wir werden die Abläufe komplett neu gestalten. So etwas wird nie wieder passieren.“

Der ZDF-Sprecher ergänzte, die Unannehmlichkeiten seien auch der Premiere geschuldet. „Was künftig anders laufen wird ist, dass wir eine Aufzeichnung haben, die einer 90-Minuten-Sendung entspricht“, sagte der Sprecher. Dies könnten dann etwa zwei Stunden sein. Allerdings sei dabei noch nicht die Wartezeit eingerechnet, die durch die Sicherheitskontrollen entstehe. Dies sei Sache des Produzenten.

Zuschauer legen Seenotleitung in Bremen lahm

Zuschauer der neuen ZDF-Quiz-Show „Rette die Million“ mit Jörg Pilawa haben am Mittwochabend die Seenotleitung in Bremen nahezu lahmgelegt. Während der Sendung fiel die Alarmierungs- Telefonanlage fast aus, teilte die Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) am Donnerstag mit. Der Grund war die Quizfrage zur Bedeutung der Kurzwahl 124 124. Die richtige Antwort „Seenotrettung“ bescherte den Kandidaten vorübergehend 200 000 Euro Gewinn. Quizmaster Pilawa hatte zwar appelliert, die Telefonnummer nicht anzurufen. Hunderte neugierige Fernsehzuschauer hätten jedoch mit Testanrufen die wichtige Leitung bis in die frühen Morgenstunden blockiert. Das ZDF habe versprochen, künftig aus Sicherheitsgründen auf derartige Quizfragen zu verzichten.