Panik-Rocker Lindenberg stellte in Berlin “Hinterm Horizont“ vor, seine vertonte deutsch-deutsche Geschichte

Berlin. Es ist nicht nur ein Musical, das Udo Lindenberg in Berlin vorstellte. Es ist sein Musical. Seine Geschichte. Am 13. Januar 2011 soll Premiere sein, auf historischem Boden sogar. Im Theater am Potsdamer Platz, wo einst politische Systeme aufeinanderprallten. Und wo damals, 1983 im Ost-Berliner Palast der Republik, der Rockstar aus Westdeutschland vor handverlesener Klatschkulisse nicht nur sang, sondern auch die Verschrottung sowjetischer SS-20-Raketen forderte.

Bestseller-Autor Thomas Brussig ("Sonnenallee"), der zu Udos Musical "Hinterm Horizont" das Drehbuch schrieb, wird beim Gedanken an jenen 25. Oktober 1983 auch heute noch ganz warm um sein ostdeutsches Herz, wenngleich er damals keinen Zutritt bekam: "Dit war, als ob die Außairdischen jekommn wärn. Seit dem Tach hab ick nich mehr bedauert, dass ich in Woodstock nicht dabei war."

An historischem Ort also präsentiert der Musical-Konzern Stage Entertainment und inszeniert Uli Waller vom Hamburger St.-Pauli-Theater das deutsch-deutsche Märchen, das zu schön und zu udohaftig klingt, um nicht vielleicht doch wahr sein zu können.

Eine "East Side Story", die auf der Bühne aus einem neun Meter breiten, drei Meter tiefen und acht Meter hohen Hut gezaubert wird. Romeo und Julia heißen Udo und Jessy. Er West, sie Ost. Er berühmt, sie FDJ. Etwa 30 Songs vertonen das Ganze, von Udo-Krachern wie dem schon im Jahre 1973 geschriebenen "Mädchen aus Ost-Berlin" bis zu Material vom Comeback-Album "Stark wie zwei". Im wirklichen Leben heißt Udos Jessy aber Josephin Schmidt und kommt - kein Witz - aus Pankow und mit einer Stimme, die sich angenehm von diesem Musical-Vibrato fernhält, das Lindenberg nicht leiden kann.

Gut sieben Jahre Vorarbeit liegen hinter Waller und Lindenberg. Aus der Idee eines kleinen Liederabends für Wallers St.-Pauli-Theater wuchs nach und nach die Einsicht, das Ding wird immer größer und teurer. Das passt nicht mehr auf die Traditionsbühne am Spielbudenplatz. So kamen Stage und die Berliner Musical-Filiale ins Spiel.

Dass es vor allem Hamburger sind, die jetzt ein Wiedervereinigungs-Musical auf einer Hauptstadtbühne zustande bekommen, freut Waller dann doch. Französische Revolution? - "Les Miserables". Vietnamkrieg? - "Miss Saigon". Einig Vaterland? Eben. Der gesamtdeutsche Udo als erster Mauerspecht, der ganz ohne Hammer erste Dellen in den sozialistischen Schutzwall klopfte.

Beim Vorgeschmack-Abend vor geladenen Gästen sangen Jessy-Josephin und Original-Udo im Musical-Theater Foyer "Hinterm Horizont" im Duett, danach schmiss Udo Lindenberg sein "Ejakulator"-Schlagzeug an, um live Leinwände mit Farbe zu verzieren. Knapp 50 weitere Werke, Likörelle und andere, verzieren dort die Theaterwände.

Später am Abend, als der erste Interview-Ansturm abgeklungen war und auch Lindenbergs Performance-Zubehör Eddy Kante die Nackenmuskeln ein wenig entspannen konnte, nuschelte es aktuelle kulturpolitische Zwischenstände unter Lindenbergs Hut heraus: Beim Thema "Udoleum" in der Speicherstadt, das die Hansestadt Hamburg für "eine "klitzekleine Marie" wahr werden lassen könnte, warte er "minütlich" auf ein Signal von Kultursenator Reinhard Stuth (der sich derzeit allerdings im Herbsturlaub befindet). Es wurde ihm, sagte Udo Lindenberg, signalisiert, dass der ganze Senat dafür sei. Und was seinen angedrohten Umzug von Hamburg nach Berlin angeht, war seine Antwort ähnlich kryptisch: "Wo das Museum hingeht, da geht auch mein Herz hin."