Mindestens 13 Menschen sterben, mehr als 30 werden bei dem Unglück nahe Berlin zum Teil schwer verletzt. Rettern bietet sich Bild des Grauens

Genshagen. Chaotisch, entsetzlich, tragisch - das Bild, das sich den Feuerwehrmännern, Notärzten und anderen Helfern gestern auf der A 10 bot, war eine Szenerie des Grauens. Das Wrack des grauen Reisebusses mitten auf der Straße, Gepäck überall, Menschen, die durcheinanderrennen, und eingeklemmte Verletzte, die verzweifelt um Hilfe rufen. Für die Einsatzkräfte war es eines der schlimmsten Unglücke, zu dem sie je gerufen wurden.

Gegen halb elf am Vormittag war der Bus einer polnischen Reisegruppe zwischen Genshagen und Rangsdorf verunglückt. 13 Menschen verloren ihr Leben und mehr als 30 wurden verletzt, als der Reisebus am Schönefelder Kreuz südlich von Berlin gegen einen Brückenpfeiler prallte.

Die Straße war nass, und zunächst hieß es noch, der Fahrer des Busses habe einem Auto ausweichen wollen, das von der A 113 auf die A 10 auffuhr. Doch Arne Feuring, Präsident des Polizeipräsidiums Frankfurt (Oder), erklärte später, der Bus sei von dem auffahrenden Auto zunächst bedrängt und dann gerammt worden. Anschließend sei der Bus erst in eine Leitplanke geprallt und dann gegen den Brückenpfeiler.

"Der genaue Unfallhergang muss aber noch untersucht werden", sagte Feuring. Daher konnte die Polizei auch noch nicht sagen, inwieweit dem Busfahrer oder der Autofahrerin ein Vorwurf zu machen ist. Die 37 Jahre alte Frau, die den Mercedes fuhr, wurde schwer verletzt, ihr Beifahrer kam hingegen mit dem Schrecken davon.

Damit hatte er mehr Glück als die beiden Busfahrer und die 49 Reisenden im Bus, allesamt Beschäftigte eines polnischen Forstamtes und deren Angehörige. Sie waren auf der Rückreise aus einem einwöchigen Urlaub. Unter den Verletzten sollen auch Kinder und Jugendliche sein. Der Bus kam aus Spanien und war auf dem Weg nach Zlocieniec in Westpommern, der Heimatstadt der Verunglückten.

18 Menschen wurden schwer und 20 leicht verletzt. Rund 300 Rettungskräfte sowie mehrere Notfallseelsorger waren den ganzen Tag im Einsatz, um die Verletzten zu versorgen. Um die Opfer vor neugierigen Blicken abzuschirmen, wurden auf der Autobahn Zelte aufgebaut. Die Fahrbahn war bis in die Abendstunden komplett gesperrt, sechs Rettungshubschrauber flogen die schwer Verletzten in nahegelegene Krankenhäuser.

Polens Regierungschef Donald Tusk traf gestern Abend gemeinsam mit Gesundheitsministerin Ewa Kopacz am Unfallort ein. Dorthin war vorher bereits der brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) gekommen, um sich ein Bild von den Rettungsarbeiten zu machen. Gemeinsam mit Platzeck besuchte er Verletzte in einem Berliner Krankenhaus.

Neben Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) drückte auch Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) seine Anteilnahme aus: "Unser Gedenken gilt den Toten und unser Mitgefühl den Angehörigen. Wir sind mit ihnen." Die Bundeskanzlerin verließ am Abend eine Sitzung der Präsidien der Unionsparteien, um sich in Polens Berliner Botschaft mit Tusk zu treffen.

Immer wieder fordern Busunglücke in Deutschland zahlreiche Menschenleben. Am 22. September 2009 stürzte bei Radevormwald im Bergischen Land (Nordrhein-Westfalen) ein Linienbus einen steilen Abhang an der Wupper hinab. Fünf Menschen starben. Am 4. November 2008 ging ein Reisebus nahe Hannover auf der A 2 in Flammen auf. 20 Menschen kamen ums Leben, 13 wurden verletzt. Ein technischer Defekt in der Toilette hatte den Brand ausgelöst.

Schwere Unfälle wie diese entfachen regelmäßig eine Debatte über die Gurtpflicht in Bussen. "Wenn Gurte vorhanden sind, müssen sie auch angelegt werden. Der Busfahrer muss zwar darauf hinweisen, aber jeder Insasse ist selbst für sich verantwortlich", sagt Maximilian Maurer, Rechtsexperte beim ADAC. "Viele alte Modelle können allerdings nicht mit Gurten nachgerüstet werden, weil sie gar nicht die baulichen Voraussetzungen mitbringen." Diese Busse dürfen dennoch fahren.