Der fünf Jahre alte Julian wurde offenbar ermordet. Ermittlungen auch im Umkreis der Familie

Delligsen. Zwischen Schutt und Abfallsäcken liegt die Leiche des fünfjährigen Julian in der Garage - auf dem Grundstück direkt neben dem Wohnhaus der Mutter in dem kleinen Ort Delligsen im niedersächsischen Kreis Holzminden. Stundenlang hatten die Einsatzkräfte gehofft, den seit Dienstagnachmittag vermissten Jungen lebend zu finden. Mit Hunden und Hubschraubern war nach dem Kind gesucht worden. Gestern dann die traurige Gewissheit: Der Kleine ist umgebracht worden.

"Wir gehen eindeutig von Fremdverschulden aus", sagt Polizeisprecher August Wilhelm Winsmann aus Holzminden. Die Hintergründe des Verbrechens und die Todesursache sind noch unklar. "Wir ermitteln in alle Richtungen." Eine Mordkommission wurde eingesetzt. Aus taktischen Gründen wollte die Polizei zunächst keine Einzelheiten, etwa zu einem oder mehreren möglichen Tatverdächtigen nennen.

Rot-weißes Flatterband versperrt die Zufahrt zum Fundort. Männer in weißen Anzügen mit Mundschutz laufen emsig umher. Ein großes, leicht angegrautes Zelt der Spurensicherung verdeckt den Blick auf die Garage. Die vielen freiwilligen Helfer, die Julian auch noch in der Nacht gesucht hatten, stehen fassungslos daneben. "Wir waren nachts in der Garage, konnten aber im schwachen Schein der Taschenlampe nichts in dem Müll erkennen", sagt einer der Helfer, der wie auch andere Bewohner des 3700-Einwohner-Ortes seinen Namen nicht nennen will. Dann stockt die Stimme, und er wendet sich ab. "Ich muss jetzt zur Polizei und meine Aussage machen."

Erst im vergangenen Dezember ist Julians Mutter mit ihren drei Söhnen in das Fachwerkhaus eingezogen. Wenig später kommt der Lebensgefährte, 26, nach. Vom leiblichen Vater hatte sich die 28-Jährige im Vorjahr getrennt. Bei der Aufgabe der Vermisstenanzeige hatte der Lebensgefährte angegeben, er sei mit den ein, drei und fünf Jahre alten Kindern allein in der Wohnung gewesen. "Er sagte, er habe den Einjährigen gebadet, und plötzlich sei der Fünfjährige weg gewesen", sagt Winsmann.

Julians Vater hatte sich die ganze Nacht an der Suche nach seinem Sohn beteiligt. "Nachdem die Leiche gefunden wurde, saß er wie ein Häufchen Elend auf den Treppenstufen des Hauses seiner Ex-Frau. Dann ist er in Begleitung unseres Pastors gegangen", schildert ein Nachbar.

"Ich habe ihn als ganz lieben Menschen kennengelernt", sagt eine Frau, die mit dem Vater des toten Jungen in einem Hotel zusammengearbeitet hat. Koch habe er gelernt. Als seine Frau mit Julian schwanger wurde, habe er die Arbeit gekündigt. Nach der Trennung zog die Mutter dann mit dem Freund in das Fachwerkhaus.

Alle drei würden als Zeugen vernommen, erklärte die Polizei. Zu einem Trennungsstreit als möglichen Hintergrund der Tat wollten sich die Ermittler nicht äußern. Auch ob die Familie bereits bei der Polizei bekannt war, wurde nicht gesagt. Nur so viel: Es gebe keine Hinweise auf ein Sexualverbrechen. Der Tatort werde noch von der Spurensicherung untersucht. Auch der Leichnam des Jungen müsse erst obduziert werden, bevor man Näheres zur Todesursache sagen könne.