In Firhall Village suchen Menschen über 45 Jahre vor allem eins: Ruhe. Die Wartelisten für Wohnungen und Häuser sind lang.

London. Das Angebot klingt verlockend: Elegantes Einzelhaus im schottischen Hochland inmitten ruhiger Parklandschaft, Fertigstellung 2005, erstklassiger Zustand, drei Schlafzimmer, zwei Bäder, Kamin, modernste Einbauküche, Garage, 20 Golfplätze im Umkreis einer Autostunde, umgerechnet 303 635 Euro.

Nicht der Preis, für Großbritannien ungewöhnlich günstig, ist der Haken, sondern die Kaufbedingungen samt Verhaltensvorschriften. Laut Vertrag dürfen nur maximal drei Erwachsene einziehen; bis auf einen Hund und eine Katze ist das Halten von Haustieren ebenso untersagt wie die gewerbliche Nutzung der Räume oder das Wäschetrocknen an der Luft. Vor allem aber: Wer die Immobilie erwerben und in ihr wohnen möchte, muss mindestens 45 Jahre alt sein, darf keine bei den Eltern lebenden Kinder unter 16 Jahre haben und kann den Besitz nicht Erben mit minderjährigen Kindern vermachen.

Das Haus mit der Anschrift 17 Broadley Place steht nämlich in Firhall Village, dem ersten Ort des Königreichs mit Nachwuchs-"Verbot". Das Dorf, 20 Fußminuten vom lebendigen Zentrum des 11 000-Einwohner-Städtchens Nairn am Nordseestrand entfernt, steckt allerdings selbst noch in den Kinderschuhen. Ein findiges Immobilienunternehmen errichtete die 93 Häuser, Bungalows und Wohnungen im Verlauf der vergangenen sieben Jahre mit dem Ziel, "eine Country-Style-Atmosphäre zu schaffen für Menschen, die aktiv sind, eher in den Ruhestand gehen und länger leben".

Plärrende Babys, Kinderwagen und Roller, raufende oder gar kriminelle Halbstarke und Schulhofgekreische würden diese friedliche Umwelt stören, in der es weder ein Ladengeschäft noch geparkte Lieferfahrzeuge und nicht einmal Gartenzäune gibt. Deshalb dürfen Enkelkinder nur jeweils zwei bis drei Wochen in Folge und höchstens insgesamt drei Monate pro Jahr zum Logierbesuch kommen, und darum blieb auch der angeblich geplante Spielplatz bis heute ungebaut. Stattdessen "ist die Luft von Vogelgezwitscher erfüllt, die Eichhörnchen kommen bis ans Fenster, und wir sehen jede Menge Rehe, Hasen und anderes Wild", schwärmt die Anwohnerin Edwina Ellis in einem Haus aus Königin Viktorias Zeiten.

Firhall House ist der geografische und gesellschaftliche Mittelpunkt. Für 100 Euro Mitgliedsbeitrag im Monat kann man den Fitnessraum, die Bücherei und die Lounge benutzen, an Tanz- und anderen Veranstaltungen teilnehmen und Forellen im Flüsschen Nairn angeln. "Eine der guten Seiten von Firhall ist: Wir alle bewegen und beschäftigen uns sehr viel, und man altert hier erheblich langsamer", schwört der Vorsitzende des Bürgervereins, David Eccles. Einer seiner Nachbarn ist ein rüstiger Mann über 90.

In einer Dokumentarsendung des BBC-Hörfunks meldete der Sozialpolitiker und Gerontologe Professor Alan Walker allerdings schwere Bedenken gegen die Idee an: "Die Ausgrenzung von Jungen und Alten in einer Gesellschaft stellt die ganze Generationensolidarität schwerwiegend infrage." Diesen Vorwurf weist Eccles zurück: "Wir sind doch keine Kinderhasser. Wir haben ja Familie, haben Enkelkinder. Der Umstand, dass Kinder hier nicht ständig leben, gibt uns ein gewisses Mass an Frieden und Ruhe - etwas, worauf sich viele in zunehmendem Alter freuen."

In der Tat wirken die meisten Bewohner von Firhall heiter und entspannt, aber vital. Lesley-Ann Fraser, die für das Dorf federführende Maklerin, berichtet von Wartelisten für jedes Haus, jede Wohnung, die frei werden. Bisher sind nur ganz wenige Menschen wieder weggezogen - manche aus tragischem Anlass. So das nordenglische Paar, das sich nach vier Fehlgeburten in Firhall Village niedergelassen hatte: "Wir wollten nicht mehr jeden Tag daran erinnert werden, was uns versagt bleibt. Doch das Gegenteil trat ein. Die Stille machte es uns nur noch schwerer, wir empfanden den Verlust schlimmer denn je." "Von Ausnahmen wie dieser abgesehen, ist Firhall ein solcher Erfolg, dass die Bauherren händeringend nach geeigneten Plätzen für weitere kinderfreie Dörfer suchen", erklärt die Maklerin Lesley-Ann Fraser. Sie selbst würde dort gern wohnen, ist aber zu jung.