Die Lehrerin aus Minden wollte in San Francisco ihren 50. Geburtstag feiern. Sie geriet in einen Streit unter Jugendlichen

San Francisco. In Detroit, Amerikas Rekordhalter in Sachen Gewaltverbrechen, muss man es befürchten. Selbst in den düsteren Gegenden von Washingtons Nordosten, wo Drogendealer ihre Territorien ausschießen und Babys in Häusern durch Querschläger töten. In San Franciscos touristendurchfluteten Theaterbezirk nahe dem Union Square jedoch durften sich die Deutschen Mechthild S. und ihr Ehemann am Sonntagabend auf dem Heimweg zum King George Hotel so sicher fühlen, wie man es in einem Land, das in Schusswaffen verliebt ist, bestenfalls erwarten kann.

Die Grundschuldirektorin wurde in die Brust getroffen

Und doch traf eine verirrte Kugel, zu Dutzenden abgefeuert von streitenden Jugendlichen, die 50 Jahre alte Grundschuldirektorin aus Minden wie aus einem Hinterhalt in die Brust. Sie starb im Krankenhaus, ihr Mann blieb unverletzt. Das Furchtbarste mag für ihn und die beiden heranwachsenden Söhne sein, dass aus dem grausam zufälligen Tod von Mechthild S. kaum eine Lehre zu ziehen ist. Jedenfalls keine, die über die Banalität hinausgeht, dass in jeder Stadt der Welt am falschen Ort zum falschen Zeitpunkt unschuldige Menschen sterben.

So ähnlich hat es Eberhard Brockmann, der stellvertretende deutsche Generalkonsul in San Francisco, zu beschreiben versucht. Das Ehepaar S. sei nur einen Häuserblock von seinem Hotel entfernt gewesen, als plötzlich Schüsse fielen. Mechthild S. und ihr Ehemann seien am 17. Juli in Los Angeles in die USA eingereist; sie wollte ihren Geburtstag und einen Hochzeitstag in Kalifornien feiern. Man darf annehmen, dass die beiden die USA und zumal die Westküste mochten; gestern sollte es nach St. Louis weitergehen und über Chicago zum Wochenende nach Hause. "Sie waren zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort", sagte Brockmann, "es ist eine Tragödie." Mechthild S.s Ehemann, der neben ihr ging, als sie die Kugel traf, stehe "natürlich unter Schock". Es heißt, er sei nach Deutschland zurückgekehrt. Eberhard Brockmann nennt San Francisco eine sichere Stadt, und das ist wahr. Auch wenn die Rate der Gewaltverbrechen über dem nationalen Durchschnitt liegt (1,24-mal), ebenso wie die Zahl von Raub und Autodiebstählen. Doch die Stadt, die Silicon Valley mit ihren IT-Talenten schuf, die so geliebt wie verachtet und verhöhnt wird für die liberale Gesinnung ihrer Politiker, Richter, Künstler, Schwulen und Freisinnigen aller Art, ist der Gegenentwurf zum wehrhaft-wertekonservativen, schussbereiten Mittelwesten der USA. Mit diesem eigenen Charme zieht die Stadt 15 Millionen Besucher im Jahr an.

Zu dem Charme zählen auch rund 1500 Klubs; nur zwei Prozent dieser "nightspots", beharrt die Polizei, ziehen bisweilen Gewalt an. Noch immer zwei Prozent zu viel für Bürgermeister Gavin Newsom: "Wir werden Gewalt in unseren Vierteln und Schießereien nahe den Nachtklubs und Jugendklubs nicht dulden. Nichts ist wichtiger als die Sicherheit unserer Bürger und Besucher." Newsom kondolierte der Familie von Mechthild S., die "unschuldig durch sinnlose Gewalt starb".

Es fügt sich durchaus zynisch, dass keiner der mutmaßlichen Täter durch Dutzende von Kugeln verletzt wurde. Von fünf festgenommenen Jugendlichen wurden vier wieder freigelassen; einem Jungen droht eine Mordanklage. Es heißt, eine Party, die im fünften Stock eines Hauses in der Mason Street rund 200 Teenager zwischen 13 und 17 Jahren anzog, sei der Ausgangspunkt des Streits gewesen. Nach Angaben eines Polizeisprechers wurden im Internet Tickets für die Party angeboten und weit mehr verkauft als das Comedy College and Clubhouse fassen konnte. Auch seien die fünf privaten Ordner bei der Veranstaltung überfordert gewesen.

Ausgangspunkt des Dramas war eine überfüllte Party

Mindestens zwei der fünf Festgenommenen seien vor der Schießerei auf der Party gewesen. Es seien weder Speisen und Getränke (und erst recht kein Alkohol) verkauft worden, noch habe es Livemusik gegeben, sagte der Veranstalter Curtis Matthews. Damit war die Party nicht genehmigungspflichtig: "Wir haben das noch nie gemacht und werden es nie wieder machen. Es tut mir leid, was passiert ist." "Unter den Bürgern der Stadt herrscht schwere Betroffenheit", sagte Mindens stellvertretender Bürgermeister Peter Kienzle. "Die Leute sind schockiert."