Operation “Static Kill“ erfolgreich. BP spricht von Meilenstein im Kampf gegen die Ölpest im Golf von Mexiko

New Orleans. Aufatmen am Golf von Mexiko. Mehr als drei Monate nach der Explosion der Bohrinsel "Deepwater Horizon" ist das lecke Bohrloch verschlossen. Der britische Ölkonzern BP sprach von "einem bedeutenden Meilenstein" im Kampf gegen die Ölpest vor der Küste Lousianas. Der Konzern hatte am Dienstag (22 Uhr MESZ) damit begonnen, acht Stunden lang Spezialschlamm vom Schiff "Q4000" aus in das Bohrloch in einer Tiefe von 1600 Metern zu pumpen. Die Operation "Static Kill" habe ihr Ziel erreicht, sagte eine Sprecherin.

",Static Kill' ist ein Standardverfahren für jede Bohrung. Es bedeutet, dass eine Bohrung aktuell nicht mehr fließt, aber nicht, dass sie für die nächsten zehn oder 100 Jahre sicher verschlossen ist. Das Totpumpen ist nur ein Zwischenschritt, bis die Entlastungsbohrung fertig ist", erläutert Catalin Teodoriu vom Institut für Erdöl- und Erdgastechnik der Technischen Universität Clausthal (Niedersachsen). Auch er glaubt an den Erfolg: "Die Bohrung ist stillgelegt. Ab diesem Punkt kann nicht mehr viel passieren. Es gibt nur die sehr, sehr kleine Gefahr, dass sich Gas aus der Ölquelle in dem eingepressten Gemisch löst und den Schlammpfropf so instabiler werden lässt. Dann könnte doch wieder Öl hochkommen."

Für den Fall, dass der "Static Kill" nicht erfolgreich sein sollte, arbeitet BP weiter an zwei Entlastungsbohrungen. Der Sonderbeauftragte der US-Regierung für die Umweltkatastrophe, Thad Allen, stellte klar: Nach dem "Static Kill" müsse die Quelle auch unter dem Meeresboden verstopft werden. Für diesen Verschluss in größerer Tiefe ("Bottom Kill") werde der 5,5 Kilometer lange Entlastungskanal benötigt, den BP seit drei Monaten in den Meeresboden bohrt. Durch diesen Kanal sollen Schlamm und Zement gut vier Kilometer unterhalb des Meeresgrundes in den Felsboden eingespritzt werden.

Allen erklärte, auf diesen zweiten Schritt könne nicht verzichtet werden. "Darüber sollte es keine Unklarheit geben. Ich bin der nationale Befehlshaber in dieser Angelegenheit und so wie beschrieben wird es auch gemacht", sagte Allen. BP-Vizepräsident Kent Wells hatte erklärt, falls der "Static Kill" von oben gelinge, würden die Entlastungsbohrungen nicht mehr benötigt. Wie erfolgreich die Aktion tatsächlich ist, können die Ingenieure tatsächlich erst feststellen, wenn die Entlastungsbohrung beendet ist.

Aus dem Bohrloch quollen nach jüngsten Schätzungen rund 780 Millionen Liter Rohöl aus dem Meeresboden. Davon konnten allerdings 125 Millionen Liter abgefangen werden, teilte der Krisenstab der US-Regierung mit. Energie-Expertin Carol Browner, eine Beraterin von US-Präsident Barack Obama, erklärte, insgesamt seien mittlerweile 75 Prozent des ausgetretenen Öls verschwunden. Ein Teil sei an der Oberfläche abgeschöpft oder verbrannt worden, ein anderer Teil sei verdunstet oder von Wind und Wellen in winzige Partikel zerlegt worden.

Die Ölkatastrophe mit noch nicht absehbaren Auswirkungen für den Lebensraum im Golf von Mexiko und an den Küsten sowie für die Nahrungskette hat für BP auch wirtschaftliche Auswirkungen: Dem Konzern droht eine Entschädigungsforderung der US-Regierung in Höhe von 17,6 Milliarden Dollar (gut 13 Milliarden Euro). Pro Barrel ausgelaufenen Rohöls kann laut US-Recht eine Strafe von bis zu 4300 Dollar fällig werden. Das ergibt etwa 21 Milliarden Dollar. Die Rücklagen von BP in Höhe von 32,2 Milliarden Dollar würden dafür ausreichen, allerdings kann mit weiteren Schadensersatzklagen von Privat- und Geschäftsleuten gerechnet werden.

Auch die mexikanische Regierung will den BP-Konzern auf Schadenersatz verklagen. Wie Umweltminister Juan Rafael Elvira Quesada mitteilte, werden die Regierungen Mexikos und der USA im September in Washington das Ausmaß der Schäden beziffern. Als Sofortzahlung verlange Mexiko 70 Millionen Dollar (etwa 53 Millionen Euro). Noch sei kein Öl in mexikanischen Gewässern entdeckt worden, ergänzte Elvira. Dennoch sei das Ökosystem in Mitleidenschaft gezogen worden.

Niemals zuvor wurde eine schlimmere Ölpest registriert: Bei der Havarie des Tankers "Exxon Valdez" 1989 vor der Küste Alaskas flossen "nur" etwa 41 Millionen Liter ins Meer. Bisher galt der Unfall auf der mexikanischen Ölförderanlage "Ixtoc Uno" 1979 als die schwerste Ölpest. Damals flossen etwa 580 Millionen Liter ebenfalls in den Golf von Mexiko. Ein noch größeres Ausmaß hatten nur die Kriegsschäden in den Ölfeldern am Persischen Golf in Folge des irakischen Überfalls auf Kuwait 1991.

Bis zum jetzigen Erfolg war es ein weiter Weg. Am 20. April dieses Jahres starben bei einer Explosion auf der Ölbohrinsel elf Arbeiter, 126 konnten gerettet werden. Zwei Tage später versank die brennende Plattform im Meer. Seitdem sprudelten täglich elf Millionen Liter in den Golf von Mexiko. Am 26. Mai startet BP mit "Top Kill" den ersten Versuch, die Quelle mit einem Schlammgemisch zu schließen. Das Verfahren scheitert.

Auch der Versuch, mit einer Glocke das Leck abzudichten, misslingt. Mit ihr kann allerdings nur ein kleiner Teil des Öls aufgefangen werden. Am 15. Juli stülpte BP einen 68 Tonnen schweren Zylinder über die Quelle. Zwei Tage später ist sie komplett verschlossen. Parallel arbeitet der Konzern an einem Nebenzugang zum Hauptbohrloch.