Es war einer der spektakulärsten Überfälle in Schweden. Gestern begann der Prozess

Stockholm. Das Interesse an diesem Prozess ist ungewöhnlich groß. Seit gestern müssen sich in Stockholm zehn Männer im Alter von 23 bis 38 Jahren vor Gericht für den spektakulären "Hubschrauberraub" verantworten. Die Anklage lautet auf schweren Raub beziehungsweise Mithilfe. Bei einer Verurteilung drohen ihnen bis zu zehn Jahre Haft. Während die Staatsanwaltschaft die Indizienlage gegen die mutmaßlichen Täter als ausreichend ansieht, bestreiten die Angeklagten die Vorwürfe.

Im dicht gefüllten Gerichtssaal zeigte die Staatsanwaltschaft zum Auftakt Bilder von Überwachungskameras, die den filmreifen Überfall am 23. September 2009 aufgezeichnet hatten. Drei schwarz gekleidete Räuber sprangen am frühen Morgen aus dem Hubschrauber und drangen vom Dach aus in das Gelddepot ein. Mitarbeiter des betroffenen Sicherheitsunternehmens flüchteten in Panik aus dem Gebäude, verletzt wurde niemand. Die Täter trugen Paintball-Masken, einer hatte eine Handfeuerwaffe bei sich, ein zweiter ein automatisches Gewehr.

Als die Polizei kurz darauf eintraf, musste sie hilflos zuschauen, denn die Türen der Geldzentrale waren aus Sicherheitsgründen geschlossen. Niemand sollte das Gebäude verlassen können. Nur hatte man bei diesen Sicherheitsmaßnahmen nicht an das Glasdach gedacht. Genau über diesen wunden Punkt des Hauses drangen die Täter mit Strickleitern ein. Mit Sprengstoff öffneten sie die Gitter zu den Geldlagern, füllten die mitgebrachten Säcke. Punkt 5.42 Uhr kam der Hubschrauber zurück. Während die Polizei auf der Straße auf Verstärkung durch ein Sondereinsatzkommando wartete, startete der Hubschrauber wieder in die Luft. Die Männer flogen vor den Augen der Polizei davon. Mit ihnen verschwanden 4,1 Millionen Euro, von denen bis heute nur ein Bruchteil gefunden wurde.

Während oben die Räuber das Weite suchten, setzten ihre Komplizen die Polizei mit einfachen Mitteln außer Gefecht. In den vier Ausfahrtstraßen rund um die Geldzentrale hatten sie Metallsterne, die Reifen zerstören, ausgelegt. Und im nahe gelegenen Landeplatz der Polizei war ein Hubschrauber mit einer Bombenattrappe präpariert worden. Er musste deshalb erst einmal am Boden bleiben.

Alles wirkte so professionell, dass kaum jemand an eine Aufklärung glaubte. Doch es gelang der Polizei relativ schnell, Licht ins Dunkel zu bringen. Sie entdeckte den Hubschrauber der Bande bereits um 8.15 Uhr nahe Stockholm auf einem Waldweg, er war kurz vor dem Überfall gestohlen worden. In ihm fand man die DNA eines vorbestraften Promi-TV-Reporters, 35, der den Hubschrauberschein besitzt. Er soll - davon ist die Staatsanwaltschaft überzeugt - in der Tatnacht den Helikopter geflogen haben.

Er weist jedoch alle Schuld von sich, genau wie seine neun Mitangeklagten. Fast alle sind vorbestraft, sie führten aber vor der Tat nach außen hin "ganz normale Leben" mit Familien, Kindern und gutbürgerlichen Berufen. So arbeitete einer von ihnen als Koch, ein anderer in einem Zeitungskiosk, einer war Hausmeister und einer Elektriker. Bei zwei von ihnen fand man ein paar Tausend Euro, die aus der Beute stammten, andere hatten wiederum am Tatort, im Hubschrauber oder an der Bombenattrappe DNA-Spuren hinterlassen. Einige der Angeklagten sind seit Jahren miteinander befreundet und kennen sich teilweise schon seit der Kindheit.

Das Amtsgericht der schwedischen Hauptstadt muss in den kommenden sechs Wochen entscheiden, ob all diese Indizien für zehn Urteile ausreichen. Vielleicht wird man dann auch erfahren, wer sich diesen "Jahrhundertbankraub" eigentlich ausgedacht hat. Der TV-Reporter, der Koch oder doch der Elektriker? Oder vielleicht ein ganz anderer?

Von der Hand zu weisen ist es nicht, selbst bei der Stockholmer Staatsanwaltschaft befürchtet man, dass der eigentliche Kopf der Bande immer noch auf freiem Fuß ist.