Orakel-Krake hat auch einen Pokal bekommen. Aquarium schickt ihn jetzt in Rente

Oberhausen. Achtmal hat Paul getippt. Achtmal lag er richtig. Der berühmteste Tintenfisch der Welt bekam dafür gestern einen ähnlich schmucken Pokal in sein Aquarium gestellt, wie ihn Fußball-Weltmeister Spanien in Südafrika überreicht bekommen hatte. Freilich fällt die Trophäe erheblich kleiner aus als das goldene Original.

Warum Paul eine 100-prozentige Trefferquote hingelegt habe, sei nicht zu erklären, sagte Tanja Munzig, Sprecherin des Sea-Life-Aquariums in Oberhausen. "Vielleicht sind es seine neun Gehirne, vielleicht ist er einfach ein Fußballexperte - nur Paul weiß es." Es habe viele Angebote für Paul gegeben, unter anderem von Wettbüros, berichtete Munzig. "Eines ist ganz sicher: Der Paul bleibt bei uns."

Für alle Freunde des Tintenfischs, die etwa auf eine Vorhersage zum bevorstehenden Bundesliga-Duell HSV gegen St. Pauli hofften, hat Munzig eine schlechte Nachricht: Die offizielle Orakelkarriere ihres Schützlings ist beendet. Er wird also nicht herausfinden, ob Joachim Löw, 50, Bundestrainer bleibt oder nicht. Und er wird auch nicht über die Hamburger Schulreform abstimmen. "Er wird keine politischen Geschehen, keine wirtschaftlichen Geschehen und nichts aus dem Life-Style-Bereich orakeln. Paul wird zukünftig seinen alten Job machen, nämlich Kinder hier zum Lachen zu bringen", sagt Munzig streng.

Der Tintenfisch aus Oberhausen tippte acht Fußballspiele richtig

Am Freitag hatte Paul seinen letzten Tipp abgeben: Spanien wird Weltmeister und Deutschland Dritter - und er hatte wieder recht. Auch alle anderen WM-Spiele der deutschen Elf tippte Paul anhand zweier Futterschalen richtig, die mit den Flaggen der Mannschaften beklebt waren. Damit hatte Paul weltweit für Schlagzeilen gesorgt. Und nach seinem Tipp für Spanien und gegen Deutschland im Halbfinale bot Spaniens Ministerpräsident Jose Luis Rodriguez Zapatero, 49, Leibwächter an, sollten deutsche Fans Paul in die Pfanne hauen wollen. Waren anfangs nur die deutschen Medien an Paul interessiert, gab es beim letzten Tipp ein regelrechtes Blitzlichtgewitter im Sea-Life-Aquarium. 600 TV-Sender übertrugen seinen Tipp. Paul hat es sogar in Indien zu einer gewissen Berühmtheit gebracht. Dort wurde ihm zu Ehren eine Sandskulptur errichtet. Bei Wikipedia erhielt Paul einen eigenen Eintrag, und in Spanien wird er als WM-Maskottchen regelrecht verehrt. Auf dem sozialen Netzwerkportal Facebook gibt es Gruppen wie "Tintenfisch Paul for President", aber auch "Wir machen Calamari aus Tintenfisch Paul" und "Rezept-Ideen für Tintenfisch Paul".

Mathematiker betrachteten die Fähigkeiten des Meerbewohners weitaus nüchterner: Es handle sich um reinen Zufall und kein Wunder. "Ein Tintenfisch kann abstrakte Begriffe wie Deutschland und Spanien nicht begreifen, das liegt jenseits seines Horizonts", sagte Mathematiker Pieter Moree vom Max-Planck-Institut für Mathematik in Bonn. Bei seinem ersten WM-Tipp habe die Wahrscheinlichkeit, richtig zu liegen, bei 50 Prozent gelegen. Bei jeder weiteren Vorhersage müsse die Wahrscheinlichkeit mit dem Faktor einhalb multipliziert werden. So lag die Wahrscheinlichkeit, beim achten Mal, also dem Finale, richtig zu tippen bei 1:256.

Paul ist mit seinen zweieinhalb Jahren schon ein alter Herr

Dass Paul bei der nächsten WM in vier Jahren wieder als Tier-Orakel eingesetzt wird, ist unwahrscheinlich. Mit seinen zweieinhalb Jahren ist er für einen Tintenfisch schon ein alter Herr. Bei der Preisverleihung war davon allerdings wenig zu sehen: Kaum war der goldene Pokal in seinem Aquarium platziert, umarmte Paul die Auszeichnung mit seinen Tentakeln. Gelockt hat den Oktopus aber wohl eher die Muschel, die oben auf dem Pokal lag.

Nun gibt es aber keinen Erfolg, ohne dass nicht auch jemand Kritik äußern würde. Die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen hat davor gewarnt, sich bei der Lebensgestaltung auf Okrakel wie Paul zu verlassen. Die verschiedenen Orakeltechniken von der Befragung von Naturvorgängen bis zum Kartenlegen und Pendeln hätten zum Teil "gefährliche Nebenwirkungen", sagte der stellvertretende Leiter der in Berlin ansässigen Zentralstelle, Matthias Pöhlmann. Er befürchtet vor allem, dass der Befrager des Orakels seine Selbstständigkeit und Eigenverantwortung aufgibt. An die Adresse der Fußballfreunde appellierte der Weltanschauungsbeauftragte, sie sollten nicht vergessen, dass Fußball immer auch ein Glücksspiel sei.