Tausende flüchten vor Tropentemperaturen. Dramatische Szenen in ICE-Zug nach dem Ausfall der Klimaanlage

Berlin. Heiß, heißer, Deutschland: Wir glühen einem Rekord entgegen. Bei Temperaturen von knapp unter 40 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit herrschte am Wochenende Tropenklima. Bendorf bei Koblenz erreichte 38,8 Grad, damit fehlen nur noch 1,4 Grad zum bisherigen Rekord. Der wurde 2003 mit 40,2 Grad in Karlsruhe aufgestellt. Auch am heutigen Montag dürfte das Quecksilber wieder Werte um 40 Grad erreichen.

Neun Schüler erlitten im ICE Hannover-Köln einen Kreislaufkollaps

Besonders hart traf es Ausflügler und Urlauber, die auf Straßen im Stau standen, oder Reisende, die in defekten Zügen der Bahn ausharren mussten. Durch die außergewöhnlichen Temperaturen sind mehrere ICE-Klimaanlagen ausgefallen, unter anderem am Sonnabend auf der Strecke Hannover-Köln. "Nachdem der Zug am Bielefelder Hauptbahnhof gestoppt wurde, haben wir 27 Schüler rettungsdienstlich behandelt, neun von ihnen mussten mit Kreislaufkollaps ins Krankenhaus eingeliefert werden", sagte der Einsatzleiter der Bielefelder Feuerwehr, Hans-Dieter Mühlenweg. Bastian F., 16, aus dem St.-Bernhard-Gymnasium im rheinländischen Willich: "Der Zug war überfüllt. Eine rollende Sauna. Wir waren nach kurzer Zeit klitschnass."

Was dann passierte, werden weder er noch seine Mitschüler so schnell vergessen. Die ersten Reisenden klagten über Atemnot. Dabei waren es überwiegend Jugendliche, die auf den Gängen standen. Bastian erzählt, eine hochschwangere Frau sei kollabiert. Ein kleiner Junge habe schon auf dem Boden gelegen. Seine Mutter habe in einem Anfall von Panik versucht, die Fensterscheibe mit dem Notfallhammer einzuschlagen. Ohne Erfolg. Erst als Fahrgäste um Hilfe gerufen hätten, habe es eine Durchsage gegeben, berichtet der Zehntklässler: Man könne nicht auf freier Strecke anhalten. Bis Bielefeld dauere es noch eine halbe Stunde. Für Bastian und seine Mitschüler wurde es die längste halbe Stunde ihres Lebens. Einige Mädchen aus seiner Klasse seien in Panik geraten. "Die, denen es noch halbwegs gut ging, haben sie beruhigt."

Ärzte empfehlen bei Überhitzung, sich feuchte Tücher oder Kleidungsstücke auf den Kopf zu legen. Die Feuerwehr Bielefeld protokollierte später: "In dem ICE herrschten Innentemperaturen von 45 bis 50 Grad Celsius."

Betroffen von den Pannen mit der Klimaanlage seien vor allem neue ICE-3-Züge, hieß es in der Pressestelle der Bahn. Ihre Filteranlagen verschmutzten schnell. Die Klimaanlagen saugten dann mit noch mehr Kraft Luft an, überhitzten und schalteten sich automatisch ab. Die Fenster der druckdichten ICE könnten nicht manuell geöffnet werden. Der Bahn AG ist das Problem offenbar schon länger bekannt. Ein Sprecher sagte, akut werde es erst bei hohen Temperaturen. Man arbeite an einer Lösung. Am Sonnabend sei die Klimaanlage lediglich auf drei von 1400 Fernverbindungen ausgefallen. Bahnchef Rüdiger Grube hat sich gestern persönlich bei der Schulleiterin in Willich entschuldigt.

Nach einem mäßigen Saisonstart füllten sich Nord- und Ostseestrände

Im Norden suchten die Menschen Abkühlung vor allem im Wasser. An Nord- und Ostsee tummelten sich die Hitzegeplagten dicht an dicht. Nach einem mäßigen Saisonstart schnellte die Auslastung von Hotels und Ferienwohnungen am Wochenende in die Höhe. Auch die Seen im Norden waren gut besucht. In den Freibädern registrierte die Polizei vermehrt nächtliche Einbrüche, etwa im Kreis Hildesheim. In Berlin-Neukölln musste ein Bad nach Krawallen geräumt werden.

Hoch "Zadok" wird auch heute noch für Gluthitze sorgen. Hamburg kommt mit Temperaturen bis 34 Grad glimpflich davon. Kühler wird es erst am Dienstag - mit 20 bis 22 Grad. Doch statt der Hitze sollen heftige Gewitter für eine unruhige Nacht sorgen. Die Verschnaufpause hält allerdings nicht lange an. Frank Böttcher von Hamburger Institut für Wetter- und Klimakommunikation sagt schon die nächste - wenn auch nicht ganz so lang andauernde - Hitzewelle voraus: Ab Mittwoch steigt das Quecksilber bereits wieder auf 30 Grad. Die nächste kurze Abkühlung gibt es dann am Freitag mit Schauern und Gewittern. Wie lange soll das noch weitergehen? "So weit das meteorologische Auge reicht", sagt Böttcher. "Die nächsten zehn Tage auf jeden Fall." Allerdings könnten sich die Temperaturen auch noch drei bis vier Wochen auf dem hohen sommerlichen Niveau halten. Schließlich sei die Wetterlage laut Böttcher derzeit ähnlich wie im Rekordsommer 2003. Damals wurde der Hitzrekord aufgestellt.