Ein Brite macht Jagd auf Beamte, weil seine Freundin angeblich mit einem zusammenlebte. Den hat er erschossen, einen anderen verletzt.

London. Zum zweiten Mal innerhalb eines Monats wird die britische Öffentlichkeit erschüttert durch einen Fall von Mordlust, Rache und Verfolgungswahn. Am 2. Juni hatte in der Grafschaft Cumbria ein ehemaliger Taxifahrer zwölf Menschen umgebracht - aus Rache und im Blutrausch. Seit dem ersten Juli-Wochenende nun jagt die Polizei in der Grafschaft Northumbria erneut einen Amokläufer, der bereits einen Mord und zwei Mordversuche begangen hat und in einem Bekennerschreiben droht, "weiter Polizisten zu töten, bis ich selber tot bin".

Noch befindet sich Raoul Moat, 38, der mutmaßliche Täter, auf freiem Fuß, doch gab die Polizei gestern bekannt, dass sich das Netz um ihn schließe. Nördlich von Newcastle, rings um den Marktflecken Rothbury, wurde eine Sperrzone errichtet, in der Sicherheitskräfte Wald und Flur durchkämmen.

Das Drama um Raoul Moat, 1,90 Meter groß und von muskulöser Statur, begann am Donnerstag, 1. Juli. Nach der Verbüßung einer 18-wöchigen Haftstrafe wegen Gewalttätigkeit wurde er aus dem Gefängnis in Durham entlassen. Der als Bodybuilder bezeichnete Mann, oft von Nachtklubs als Türsteher angestellt, hatte Mitinsassen gegenüber geäußert, er werde sich nach der Entlassung an seiner ehemaligen Partnerin Samantha Stobbart, 22, rächen. Das Gefängnis hatte Moats Drohungen an die Polizei weitergegeben, doch wurde offenbar nichts unternommen, die Frau zu schützen. Stobbart hatte während der Haftzeit an Moat geschrieben, ihre sechsjährige Beziehung - die beiden haben eine 19 Monate alte Tochter, Chanel - sei beendet und sie lebe jetzt mit ihrem neuen Freund Chris Brown, 29, zusammen. Um sich abzusichern, griff die Frau zu einer Lüge und gab an, Brown sei Polizist.

Dies muss den mutmaßlichen Täter bis zum Äußersten gereizt haben. Er machte Stobbart und Brown am Freitag in Scafell, nahe Newcastle, ausfindig, schlich sich bewaffnet an das Haus heran und hörte - die Fenster waren geöffnet - 90 Minuten lang zu, wie sie sich im Wohnzimmer des Erdgeschosses über ihn lustig machten.

Um 2.30 Uhr verließ das Paar das Haus, und Moat eröffnete das Feuer auf den Mann, schoss ihn zunächst an und exekutierte ihn schließlich durch einen Kopfschuss. Seine Freundin lief schreiend in das Haus zurück, wo er durch das Fenster auf sie schoss, aber nicht, um sie zu töten, sondern "um ihr Narben beizubringen, die sie ihr Leben lang daran erinnern sollten, das, was sie mir angetan hatte, nie wieder zu begehen". Um 23.30 Uhr des gleichen Tages schoss der Amokläufer auf Polizeiwachtmeister David Rathband, 42, und verletzte ihn schwer in Brust und Gesicht.

Moat - er hat zwei Kinder aus einer früheren Verbindung - übergab seinen auf 49 kleinen Seiten hingeworfenen Bekennerbrief, überschrieben "Raoul Moat Mord-Statement, 4/7/10", in der Nacht zum Montag einem Freund mit der Bitte um Weiterleitung an die Polizei und das Massenblatt "Sun". Der Text verrät tief sitzendes Ressentiment gegenüber der Polizei, "die mir alles geraubt hat, Kinder, Freiheit, Haus, dann Sam und Chanel". In dem Schreiben vergleicht er sich mit dem "Hulk", einer amerikanischen TV-Figur, die, wenn in der Seele verwundet, zu unsäglicher Wut aufwächst und Rache an vermeintlichen Übeltätern übt: "Es ist wie beim Hulk, es gewinnt Gewalt über mich, es ist mehr als Wut, es passiert nur, wenn ich verletzt bin. Ich bin ein Killer und ein Irrer, aber kein Feigling." Einen bewaffneten Raubüberfall am Montag legt man inzwischen ebenfalls Raoul Moat zur Last. Zwei Männer wurden gestern überraschend als "Mordkomplizen" festgenommen.