Der 64-Jährige ehemalige Polizeichef Göran L. galt als Vorzeigebeamter und Feminist. Jetzt steht der Schwede wegen Vergewaltigung vor Gericht.

Stockholm. Leicht gebückt und ohne die Anwesenden auch nur mit einem Blick zu würdigen, erschien Göran L., 63, gestern vor dem Amtsgericht der schwedischen Kleinstadt Huddinge. Ihm - der einst Polizeichef in Uppsala war und sich während seiner Karriere als "Feminist" bezeichnete, der bekannt für seine Gleichstellungsarbeit innerhalb der Polizei war - wird ein in diesem Zusammenhang fast unvorstellbares Verbrechen vorgeworfen. Er soll jahrelang Kunde bei Prostituierten gewesen sein, er soll mehrere von ihnen äußerst sadistisch vergewaltigt haben, und er soll kurz vor seiner Festnahme sogar geplant haben, eine 14-Jährige zu vergewaltigen. Außerdem hatte er enge Kontakte zu schwedischen Zuhältern, organisierte sogar selbst hin und wieder Sexpartys, bei denen er quasi als Zuhälter fungierte.

Die Anklageschrift enthält 23 Punkte: Göran L., verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern, hat offenbar jahrelang ein Doppelleben geführt. Anfang der 70er-Jahre kam er zur Polizei, 1989 wurde L. sogar Rektor der Polizeihochschule. 1997 erreichte er schließlich den Höhepunkt seiner Karriere: Der stets korrekte Beamte wurde Polizeidirektor von Uppsala. Vom ersten Tag an kämpfte er für die Gleichstellung der Polizistinnen, er hielt so viele Kurse und Vorträge über das Thema, dass er schließlich den Spitznamen "Kapitän Kleid" erhielt. Ende 2009 ging der "Feminist" in Pension.

Privat sah er die Rolle der Frau offenbar schon seit Jahren anders. Er soll zu Prostituierten gegangen und sie für sadomasochistischen Sex bezahlt haben. Die Frauen mussten sich laut Anklage fesseln, beschimpfen, bespucken und schlagen lassen.

Eine Zeugin erzählte: "Es war kein normaler Sex. Er wollte, dass ich ihm gehorche. Manchmal hatte er dafür gesorgt, dass mehrere Frauen dabei waren." Die Fassade des perfekt gespielten Doppellebens begann zu bröckeln, als im Juli 2009 ein 60-Jähriger aus dem vierten Stock eines Hauses in Stockholm stürzte. Die Kripo fand schnell heraus, dass der Tote ein Zuhälter war und dass in seiner Wohnung zwei Frauen und ein Mann waren, die den 60-Jährigen über den Balkon auf den Bürgersteig und ins Jenseits befördert hatten. In den Papieren des toten Zuhälters tauchte immer wieder der Name Göran L. auf. Die Stockholmer Mordkommission traute ihren Augen nicht. War einer der berühmtesten Polizeichefs des Landes wirklich ein Freier?

In Schweden ist der Kauf von Sex eine Straftat, und man begann vorsichtig, L. zu beobachten. Und tatsächlich: Die Ermittler filmten ihn, als er einer jungen Frau Geld zuschob. Im Oktober 2009 meldete sich eine 17-Jährige bei der Polizei. Eine Zeitung hatte - mit Foto - über Göran L.s Gleichstellungsarbeit berichtet. Die 17-Jährige erkannte in "Kapitän Kleid" ihren Vergewaltiger. Der 60-Jährige, der im Sommer vom Balkon geworfen worden war, hatte sie gegen ihren Willen an L. verkauft. Während die Polizei nun noch intensiver gegen ihren ehemaligen Chef ermittelte, suchte der bereits sein nächstes Opfer.

Laut Anklage baute er per Internet Kontakt zu einer 14-Jährigen auf, immer wieder versuchte er, sie zu einem Treffen zu überreden. Der Polizeichef gab sich als älterer Herr aus. Seine Wünsche kamen dem Mädchen merkwürdig vor. Er wollte sein "Papa" sein und auf sein "hübsches Töchterchen" in einem Hotel warten. Immer wieder versuchte er, es zu einem Treffen zu überreden. Erst lockte der Internetfreund mit Schmuck und Geld, dann setzte er sein Opfer mit Drohungen unter Druck. "Ich komme und hole dich, dann binde ich dich fest. Der Vater des Mädchens merkte schließlich, was los war und informierte die Polizei.

Mit dem Wissen der Eltern und der Polizei verabredete sich die 14-Jährige mit L. Er bestellte ein Hotelzimmer, und als er sich am 25. Januar auf den Weg zum Treffen machte, wurde er verhaftet. Im Auto fand man eine Tasche mit Lederriemen, Fesseln, Viagra und die Pille für den Tag danach. Elf Opfer haben sich inzwischen bei der Staatsanwaltschaft gemeldet. Alle soll Göran L. misshandelt haben. In vier Fällen kam es laut Anklage zu einer Vergewaltigung. L. hat gestanden, für SM-Sex gezahlt zu haben. Alle anderen Vorwürfe weist er aber strikt zurück. Er habe nie eine Frau vergewaltigt, sagte er in den Vernehmungen. Der Richter hat am ersten Verhandlungstag nach der Anklageverlesung beschlossen, den Prozess hinter verschlossenen Türen zu führen.