Morgen ist Siebenschläfer. Die alte Bauernregel trifft meistens zu. Warten wir's ab

Berlin/Hamburg. Sieben Männer sollen 195 Jahre in einer anatolischen Höhle geschlafen haben. Kaiser Decius hatte sie 251 dort einmauern lassen, weil sie sich zum Christentum bekannten. Am 27. Juni 446 wurden sie entdeckt und geweckt. Seit Bischof Gregor von Tours die Geschichte von den "siben Slaffer" im sechsten Jahrhundert aus dem Syrischen übersetzte, trägt jener Tag im christlichen Kalender den Namen "Siebenschläfertag".

Die Legende kennen die wenigsten, der Tag allerdings ist bei vielen gefürchtet. Manch einer hat ein mulmiges Gefühl, wenn er am Morgen des 27. Juni aufsteht und den Vorhang beiseiteschiebt: Regnet es, scheint die Sonne, stürmt es, kündigt sich Kaiserwetter an? Wie immer das Wetter sich zeigt, so soll es von da an sieben Wochen lang bleiben. So sagt es die Bauernregel. "Die Siebenschläfer-Regel hat eine Trefferwahrscheinlichkeit von 60 bis 70 Prozent", sagt Meteorologe Horst Malberg. Je weiter man sich von den Küsten im Norden entfernt, an denen die Meere ihren eigenen Wettergesetzen folgen, desto zuverlässiger wird sie.

Und wie wird das Wetter morgen, am Tag der Entscheidung? Die Wetterkarten zeigen deutschlandweit dunkle Wolken, hinter denen die Sonne hervorlacht, das Zeichen für "unbeständig", so wie es in den vergangenen Wochen war - und wie es nach Lage der Dinge wohl auch bleiben wird. Meteorologe Dominik Jung, der der Regel sogar eine Wahrscheinlichkeit von 70 bis 80 Prozent zumisst, kündigt denn auch einen "zwar relativ warmen, aber auch sehr wechselhaften Sommer" an. Genau genommen ist es ein Wunder, dass diese Weisheit immer noch gilt. Vor allem, dass sie die Gregorianische Kalenderreform überdauert hat, bei der 1582 einfach zehn Tage übersprungen wurden, mit dem Ergebnis, dass der "Lostag" der Siebenschläferregel eigentlich der 7. Juli und nicht der 27. Juni sein müsste. Doch alles nur Zufall, oder Aberglaube?

Nicht ganz, die Meteorologen wissen den Grund für die hohe Trefferwahrscheinlichkeit. Es kommt nicht auf einen einzelnen, genauen Tag an. Entscheidend ist, wie sich das Wetter gegen Ende Juni oder Anfang Juli über dem Land eingerichtet hat. Zu der Zeit - der April mit seinen Wechselbädern liegt viele Wochen zurück - wird das himmlische Geschehen langsam, aber sicher träge, scheut große Umbrüche.

Heute liefert uns die Meteorologie die Theorie für das, was die Bauern früher aus Beobachtungen feststellten. Das Wetter in Europa wird weitgehend durch den Gegensatz von polarer Kaltluft und subtropischer Warmluft bestimmt. Die Front zwischen beiden erzeugt die berüchtigten Tiefdruckgebiete, die umso stärker ausfallen, je unterschiedlicher die Temperaturen nördlich und südlich der Front sind. Über dieser Linie, in über zehn Kilometer Höhe, auf Höhe der Düsenflugzeuge, jagt der Jetstream, ein starker Wind, von West nach Ost und schiebt unter sich ein Tief nach dem anderen vom Nordatlantik her übers Land, von Kontinent zu Kontinent.

Verläuft der Jetstream weit im Norden, überlässt er Mitteleuropa dem Einfluss der beliebten Azorenhochs. Die verlagern sich bis zum Balkan und versorgen uns von dort, bei warmem "Südost", mit trockenem Kontinentalwetter. Verläuft aber in anderen Jahren der Jetstream ein paar Hundert Kilometer südlicher, haben die Islandtiefs freie Bahn. Ende Juni, spätestens Anfang Juli hat sich der hoch fliegende Luftstrom üblicherweise entschieden, auf welchen Breitengraden er daherweht.

Haben die Islandtiefs erst die Oberhand, ist der Sommer gelaufen. Zwischenhochs, die mit westlichen Winden heranziehen, bringen dann nur kurzzeitige Besserung. Hierzulande klagt man in solchen Zeiten über schlechtes Wetter oder Trockenheit, je nachdem. Einfacher als jede Vorhersage ist aber immer noch der Blick zurück. Und da bietet der Juni nichts Überraschendes. Bei den Niederschlägen lag er im langjährigen Durchschnitt, bei den Temperaturen ebenso (im Norden war es etwas kälter, im Süden etwas wärmer). Nur die Sonne muss noch häufiger scheinen, um auf ihren Schnitt zu kommen. Wir werden sehen.