Der Trend geht wieder zur Kopfbedeckung - ob extravagant oder aus Omas Schrank. In Ascot muss der Hut jetzt zehn Zentimeter Durchmesser haben.

Hamburg/Berlin. Vielleicht ist es der Kate-Effekt. Die Deutschen werden langsam wieder zu Hutbürgern. Wagen sich mit eigenwilligen Kreationen auf die Rennbahn und zur Vernissage. Das jedenfalls ist die Analyse von Manfred Röhrl, 71, Leiter des Hutmuseums Lindenberg im Allgäu. "Die Damen sind sehr modisch geworden und passen sich immer mehr dem englischen Königshaus an."

Früher hat Paris die Hutmode bestimmt, heute sind es die Royals, die sich gegenseitig zu übertreffen versuchen. Stilbildend: Kate Middleton, die Frau von Prinz William. Diesen Trend bestätigt auch die Hamburger Modistin Katja Wolfram, 33, von der Hutmacherei Kappalerie im Levantehaus. Aber auch die Werbung großer Modeketten und die aktuellen Frisuren zeigen aus ihrer Sicht Wirkung. "Die Föhnfrisuren der 80er-Jahre sind ein Grauen für Hutmacher, da kann man einfach nichts draufsetzen."

Erlebt Deutschland eine Renaissance des Hutes? Von einem Boom möchte Karin Becker, 64, von Work-Art-Hutdesign am Hamburger Beselerplatz noch nicht sprechen. Zwar gehe der Trend nach oben, "aber der Hut ist noch ein Accessoire, nicht wieder das 'Muss', das er mal war."

Wenn heute das traditionelle Pferderennen im britischen Ascot beginnt, geht es nicht nur um Pferde und Wetten. Dort schaut man schon lange mehr nach den extravaganten Hutkreationen als nach den Pferden. Allerdings gibt es in diesem Jahr neue Vorschriften. "Die Regeln sind ein bisschen strenger geworden", erläutert Leander Rougier vom Londoner Hutmacher James Lock & Co., gegründet 1676. "Wenn man in der Royal Enclosure bleibt, dann muss der Hut einen Durchmesser von mindestens zehn Zentimetern haben." Royal Enclosure? Das ist da, wo auch die Mitglieder der Königsfamilie das Rennen verfolgen. Zuletzt waren dort kleine "Fascinators" trendy. Eigenwillige Schöpfungen, die kaum noch an Hüte erinnern, sondern eher an Frisbeescheiben, Elch-Geweihe und Kranich-Massaker. "Aber nicht jeder Hut steht jedem", erläutert Rougier. "Es hängt von der Körpergröße, Gesichtsform und Hautfarbe ab." Bei James Lock wird die Kopfform noch mit einer speziellen Metallmaschine vermessen. In einer Vitrine ruht übrigens der schwarze Zweispitz von Admiral Nelson aus der Schlacht von Trafalgar.

Um dem Hut in Deutschland endgültig zum Durchbruch zu verhelfen, müsste sich nach Ansicht von Manfred Röhrl vermutlich auch mal Kanzlerin Angela Merkel mit Kopfputz sehen lassen. Gerade in ihrem Fall würde es sich empfehlen, den Rat eines Fachmanns einzuholen. "Sie müsste einen kleineren Hut tragen. Sie mag ja große Politik machen. Aber der Hut sollte klein sein." Drei Stunden bis 14 Tage kann die Fertigung eines solchen "Kunstwerks" dauern. "Fascinators" gibt es ab 60 Euro. Nach oben sind die Preise offen.

In Hamburg findet besonders die jüngere Generation Gefallen an Hüten. "Viele junge Leute kaufen sich erst mal einen günstigen Hut im Kaufhaus. Der gefällt ihnen dann oft so gut, dass sie später etwas Individuelleres und qualitativ Hochwertigeres suchen", sagt Katja Wolfram. Sie macht Mut, Hut zu tragen: "Viele Kunden sind überrascht, was ihnen alles steht. Ich hatte noch niemanden, für den kein Hut zu finden war." Birke Breckwoldt, 42, ("Behütet", Weidenstieg) beobachtet: "Es werden ältere Modelle vom Großvater und Großmutter vom Dachboden geholt, die häufig nur ein neues Bändchen oder Ähnliches brauchen."