Der Ex-Bürgermeister von Ludwigsfelde, Heinrich Scholl, sitzt in U-Haft. Hat er seine Frau getötet und die Tat in einem Buch angekündigt?

Ludwigsfelde. Ursus wurde schnell wütend. Er war fixiert auf sein Frauchen, Brigitte Scholl. Hinter vorgehaltener Hand erzählen die Menschen in Ludwigsfelde in der Nähe von Berlin gern weitere Details. Heinrich Scholl, erfolgreicher Bürgermeister von 1990 bis 2008 und Brigittes Ehemann, sei zuweilen von ihm gebissen worden. Der Erste Mann im Rathaus, so hört man, möge lieber Katzen.

Der hellbraune Cockerspaniel und Brigitte Scholl wurden am 29. Dezember 2011 tot im Wald gefunden. Die Polizei brauchte eine DNA-Analyse, um ihre Leiche zu identifizieren, so übel war sie zugerichtet. Zu ihrer Beerdigung im Januar kondolierten Hunderte Ludwigsfelder dem Witwer. Vier Wochen später ist Scholl der Hauptverdächtige. Er sitzt in Brandenburg an der Havel in U-Haft. "Heimtückisch" soll seine Frau getötet worden sein. Scholl bestreitet die Vorwürfe. Die Staatsanwaltschaft Potsdam schweigt, allerdings soll Scholls Handy zur Tatzeit im Wald geortet worden sein.

Heinrich Scholl war nicht nur ein Bürgermeister, der sich um die Stadt verdient gemacht hat. Nach der Wende holte er Daimler zurück. Er war auch unter die Dichter gegangen. Unter dem Pseudonym Henry Sanders schrieb er "Wachgeküsst", eine "erotische Erzählung". Ermittler fanden sie bei der Hausdurchsuchung, besonders eine Passage ist interessant. Da reden zwei Herren bei einer Flasche Rotwein über Eheprobleme, über die "alltäglichen Lieblosigkeiten", die mit jedem Jahr zunähmen, und über die Fragen: "War das alles?", "Schon mal an Scheidung gedacht?" Einer antwortet: "An Scheidung nie, an Mord hingegen schon."

+++ Ex-Bürgermeister soll Ehefrau getötet haben +++

Die Bürger der Stadt rätseln: Wer ist der Mann, der sie 17 Jahre, acht Monate und zwei Tage regierte? Heinrich Scholl oder Henry Sanders? Scholls Verabschiedung aus dem Amt war ein Staatsakt: Die Feuerwehr holte den nur 1,59 Meter großen "König Heinrich" (wie ihn politische Freunde nannten) von zu Hause ab, eine Prozession begleitete ihn zum Rathaus, wo er unter dem Johlen der Zuschauer über die Teleskopleiter durch sein Bürofenster klettern musste. Als seine Frau ermordet wurde, war der "Napoleon von Ludwigsfelde" (wie ihn seine Gegner nannten) eigentlich schon ausgezogen, nach Berlin, die Beziehung zu seiner jungen Freundin war ein offenes Geheimnis. Und doch kehrte Scholl zurück, in den Adventswochen 2011. Aber warum? Nur zum Schein? Als "Gitti" am 29. Dezember vermisst wurde, half er bei der Suche nach seiner Ehefrau, mit der er mehr als 40 Jahre verheiratet war, die ein Kosmetikstudio betrieb und bei ihren wohlhabenden Kunden Spenden für wohltätige Zwecke sammelte.

Scholl war einer der wichtigsten Lokalpolitiker der SPD. Fotos zeigen ihn mit Gerhard Schröder und Matthias Platzeck. Er lockte Daimler mit niedrigen Gewerbesteuern, er baute ein Rathaus, ein Einkaufszentrum und die größte FKK-Therme Europas. Mit einem Investor, der wegen Betrugs verurteilt war. Auf Skepsis stieß eine Sporttribüne im Waldstadion, die Scholl für 2,4 Millionen Euro bauen ließ, von einem befreundeten Bauunternehmer. In SPD-Kreisen geht das Gerücht um, Bewirtungsrechnungen seien so hoch gewesen, weil die Teilnehmer "nach der Vertikalen noch in die Horizontale" gehen durften. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin ermittelt gegen Scholl auch wegen des Vorwurfs der Korruption. Wollte Brigitte Scholl bei den Korruptionsermittlern aussagen?

Der Fall bleibt rätselhaft. Vor zwei Wochen, aus der U-Haft, annoncierte Scholl im "Wochenblatt": "Liebe Ludwigsfelder", schrieb er und fragte, wer ihn zum Zeitpunkt des Mordes in der Therme gesehen habe. "Bekleidet war ich mit Wetterjacke und einer blauen Jeans." Nicht nur bei der Staatsanwaltschaft schüttelte man mit dem Kopf, so etwas sei noch nie vorgekommen.