Der 24-Jährige, der sich bei “Wetten, dass ..?“ die Rückenwirbel brach, veröffentlicht heute seine Autobiografie. Titel: “Samuel Koch. Zwei Leben“.

Berlin. Es war eine spektakuläre Wette. In vier Minuten sollte Samuel fünf Autos im Salto überspringen, vom Smart bis zum Geländewagen. Die Autos standen nicht, sie rollten ihm entgegen mit 22 Kilometern pro Stunde, so war der Plan. Am Steuer saßen Freunde und sein Vater. Christoph Koch wird später sagen, ihm sei von Anfang an nicht wohl gewesen bei dem Gedanken, dass ihm der eigene Sohn vors Auto springt, doch Samuel habe darauf bestanden, dass er ihn begleitet. Millionen Zuschauer wurden Zeugen, wie er am 4. Dezember 2010 um 20.38 Uhr mit dem Kopf auf dem Dach jenes Audi A8 aufprallte, in dem sein Vater saß. Die Berührung dauerte 60 Millisekunden, einen Wimpernschlag nur. Doch es reichte, damit sich sein Name ins kollektive Gedächtnis einbrannte: Samuel.

Koch gibt nur sich selbst die Schuld an dem Unfall, der zu seiner Querschnittslähmung geführt hat. „Wer sollte sonst Schuld sein außer ich?“ sagte der 24-Jährige am Sonntag in der ARD-Talkshow „Günther Jauch“. Leichtsinnig sei er bei seiner Wette aber nicht gewesen.

Bis heute könne er sich auch beim Betrachten der Fernsehaufzeichnung nicht erklären, wie es zu dem Unfall gekommen sei, sagte Koch. Am 4. Dezember 2010 war er in der ZDF-Show „Wetten dass..?“ bei dem Versuch verunglückt, mit Sprungstelzen über ein fahrendes Auto zu springen. Der frühere Kunstturner erlitt Verletzungen an der Halswirbelsäule und am Rückenmark und ist heute vom Hals an fast vollständig gelähmt. Koch schrieb über seinen Unfall das Buch „Zwei Leben“, das an diesem Montag erscheint.

Koch, der mittlerweile sein Schauspielstudium in Hannover wieder aufgenommen hat, berichtete in der Talkshow, dass der Heilungsprozess langsam voranschreite. Er spreche nicht von Fortschritten, sondern von einem „Fortkrabbeln“, sagte Koch. Inzwischen könne er in seiner rechten Hand und dem rechten Fuß zwar nicht die Haut, aber das Gewebe darunter wieder stärker spüren.

Der Unfall habe seine Beziehung zu Gott verändert, ihn „im Glauben aber nicht gestürzt“, sagte Koch, der aus einer in der evangelischen Kirche stark engagierten Familie im südbadischen Efringen-Kirchen stammt. Er habe während der Wette vor jedem Sprung gebetet. „Ich war geschockt, weil ich einen Teil der Verantwortung in diesen Gebeten abgegeben habe“, sagte der 24-Jährige.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, der ebenfalls Gast in der Talkshow war, betonte, nach Schicksalsschlägen dürfe und müsse jeder für sich die „Warum“-Frage stellen. Schneider, dessen 22-jährige Tochter 2005 an Leukämie starb, berichtete, dass sich sein Gottesbild durch den Verlust verändert habe. „Das Verhältnis zu Gott hat einen Riss bekommen.“

Koch sagte, es habe gerade in der Reha-Klinik Augenblicke gegeben, in denen er über Suizid nachgedacht habe. Nach wie vor verspüre er manchmal eine Art „Platzangst im eigenen Körper“. Koch betonte, er habe aber den Spaß am Leben wiedergefunden: „Lachen macht mehr Spaß als sich zu bemitleiden.“

Zitate von und über Samuel Koch

„Ja, der Auftritt bei 'Wetten, dass..?' war eine Herausforderung, die mich reizte. Ja, das Geld, das ich als Wettkönig verdient hätte, hätte ich sehr gut gebrauchen können. Ja, ich wollte den Leuten auch etwas von dem mitgeben, was mir wichtig ist, wenn ich da vorn stehe, und dies war eine große Chance dazu. Und schließlich: Ja, ich bin harmoniebedürftig und konnte immer schon schlecht Nein sagen. Schon gar nicht zu einer sportlichen Herausforderung.“ (Samuel Koch)

„Es gibt keine individuelle Schuld, keinen bestimmten Umstand, der mich auf den Wagen prallen ließ, der von meinem Vater gesteuert wurde.“ (Samuel Koch)

„Ein übler Moment war, als der Halofixateur in meinen Kopf geschraubt wurde, um meinen Nacken absolut ruhig zu stellen. Die Köpfe von Ärzten, Mechanikern und Pflegern über mir, alle mit Masken. Sie schraubten gemeinsam das Ding in meinen Kopf. Mein Schädel dröhnte und brummte. Ich spürte Schmerzen, die mir das Gehirn wegzusprengen schienen. Bohrer- und Schraubgeräusche in mir. Ich wollte schreien. Aber ich konnte nicht.“ (Samuel Koch)

„Ich fühlte mich ausgeliefert wie eine Schildkröte, die auf ihren Rückenpanzer gerollt ist.“ (Samuel Koch)

„Ich halte es gar nicht aus!, möchte ich manchmal herausschreien. Ich will wieder gehen können! Ich will wieder turnen können, Sand unter meinen Füßen spüren, jemanden umarmen, einen Spaziergang machen, mich ins Gras legen und die Hände hinter dem Kopf verschränken!“ (Samuel Koch)

„Und wenn ich von einer schicksalhaften Verbindung zwischen mir und Samuel gesprochen habe, meine ich nicht den Abschied von einer Samstagabend-Show, sondern die Tatsache, dass ich diesem jungen Mann eine tiefe Einsicht verdanke, wie man mit einem Leben umgehen kann, das eben nicht so verläuft, wie man es geplant und sich gewünscht hat.“ (TV-Moderator Thomas Gottschalk im Vorwort des Buches „Zwei Leben“ von Samuel Koch und Christoph Fasel)

„Wenn man Grenzen nicht überschreitet, entwickelt man sich nicht weiter. Das gilt wahrscheinlich fürs Turnen ebenso wie für andere Lebensbereiche. Wer mit beiden Beinen auf dem Boden steht, kommt nicht voran. Wenn alle nichts anderes machen würden als nur Gesetze einhalten, dann wären wir heute weder als Individuen noch als Gesellschaft da, wo wir sind. Genau wie beim Turnen.“ (Samuel Koch über seine große Leidenschaft Turnen)

„Samuel war immer ein Bewegungsmensch. Der Junge ist immer auf Achse gewesen, sobald er auf eigenen Füßen stand! Eigentlich waren Saltos seine natürliche Fortbewegungsart.“ (Marion Koch, Mutter von Samuel)

„Wäre ich beim Obstbaumschneiden in einem schwäbischen Schrebergarten von der Leiter gekippt und hätte mir exakt die gleiche Verletzung zugezogen, hätten nicht so viele Hähne nach mir gekräht.“ (Samuel Koch)

„Niemand kann mir sagen, ob und wenn ja, wie viel von meiner Bewegungsunfähigkeit jemals zurückkommt. Es kann sein, dass sich erst nach zwei Jahren etwas tut. Es kann auf einen Schlag geschehen. Oder in 30 Jahren. Oder nie.“ (Samuel Koch)

Mit Material von epd und dapd