Der 24-Jährige, der sich bei “Wetten, dass ..?“ die Rückenwirbel brach, veröffentlicht heute seine Autobiografie. Titel: “Samuel Koch. Zwei Leben“.

Berlin. Es fiel ihm schwer, die richtigen Worte zu finden, als sein Sohn nach dem Unfall erwachte. Vom Hals abwärts gelähmt. "Samuel", hat Christoph Koch gesagt, "ich würde mit dir tauschen, wenn ich könnte. Du hast dein ganzes Leben noch vor dir." Das war im Dezember 2010. Der Informatiker wachte schon seit Stunden am Bett seines Sohnes auf der Intensivstation der Düsseldorfer Uniklinik. Er wollte den Moment abpassen, in dem Samuel das Bewusstsein wiedererlangte. Der Vater hatte den Audi A8 gesteuert, der seinem Sohn in der ZDF-Show "Wetten, dass ..?" die Rückenwirbel brach.

Es war eine spektakuläre Wette. In vier Minuten sollte Samuel fünf Autos im Salto überspringen, vom Smart bis zum Geländewagen. Die Autos standen nicht, sie rollten ihm entgegen mit 22 Kilometern pro Stunde, so war der Plan.

Am Steuer saßen Freunde und sein Vater. Christoph Koch wird später sagen, ihm sei von Anfang an nicht wohl gewesen bei dem Gedanken, dass ihm der eigene Sohn vors Auto springt, doch Samuel habe darauf bestanden, dass er ihn begleitet.

So steht es in der Autobiografie, die heute erscheint: "Samuel Koch. Zwei Leben". Sie erzählt von einem Jungen, der durch einen TV-Auftritt berühmt werden will. Aber nicht durch den Rollstuhl. Für die Öffentlichkeit ist er ein Hoffnungsträger. Einer, der versucht, sich den Weg in die Normalität zu bahnen, Millimeter für Millimeter.

Schneller geht es nicht. "Ich bin reduziert auf den Menschen, den der Unfall von mir übrig gelassen hat." Eingesperrt in einen Körper, den er nicht mehr spüre, angewiesen auf fremde Hilfe, 24 Stunden am Tag. "Einen Pulli anzuziehen gerät gern mal zur Staatsaktion." Er konstatiert das ohne Larmoyanz. Das erleichtert es dem Leser, sich ihm und seinem Thema zu nähern. Tetraplegie, Querschnittslähmung. Ein angstbesetztes Thema.

Täglich erleiden fünf Deutsche eine Querschnittslähmung. Samuels Schicksal geht den Menschen nahe. Sie schreiben ihm E-Mails und Briefe. Das baut ihn auf. Eine Facebook-Gruppe hat sogar einen Stern nach ihm benannt, 136 Lichtjahre entfernt.

Millionen Zuschauer wurden Zeugen, wie er am 4. Dezember 2010 um 20.38 Uhr mit dem Kopf auf dem Dach jenes Audi A8 aufprallte, in dem sein Vater saß. Die Berührung dauerte 60 Millisekunden, einen Wimpernschlag nur. Doch es reichte, damit sich sein Name ins kollektive Gedächtnis einbrannte: Samuel.

Es ist ein hebräischer Name. Der von Gott Erbetene. Samuel, der Prophet aus dem Alten Testament. Der 24-Jährige hebt es in seinem Buch hervor. Er ist gläubiger Christ.

+++ Samuel Koch bald zurück an Hannoveraner Hochschule +++

Er sagt, der Unfall sei wohl kein Zufall gewesen. Möglicherweise verfolge Gott damit einen Plan - einen, der ihn ganz woanders hinführe als dorthin, wo er hinwollte, als Schauspieler und Stuntman. So richtig glauben will er das nicht. "Gottes Wege sind unergründlich, klar. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er mir einen Rollstuhl verpassen würde."

Das Buch lässt diese Option offen. Der Journalist Christoph Fasel hat es geschrieben. Wer will, kann es als Parabel auf die Casting-Gesellschaft lesen: Ich werde gesendet, also bin ich.

Im Vorwort weist ausgerechnet der Mann darauf hin, dessen Karriere untrennbar mit Samuels Unfall verbunden ist. Thomas Gottschalk. "Man spürte, dass da einer in dem Medium angekommen war, das für ihn die Zukunft bedeutete."

Samuel versucht erst gar nicht, das zu leugnen. Noch heute schwärmt er von der "Spitzenwette" und der Chance, auf einen Schlag viel Geld zu verdienen. Samuel redete sich ein, das Programm notfalls auch mit verbundenen Augen schaffen zu können. "Konzentrieren. Stoßgebet. Zeichen geben, Gewicht auf rechten Fuß verlagern, warten, bis das Auto die Markierung überfahren hat, fünf Schritte, einspringen, abspringen, Salto, hinter dem Wagen aufkommen, abfedern, auslaufen, freuen."

Zweimal geht das gut. Bei einem Versuch verlässt ihn der Mut. Und beim Anlauf auf das vierte Auto passiert es: Er springt zu flach ab und prallt hart in der Realität auf. Er schreibt, es sei ein Wunder, dass er noch nicht durchgedreht sei vor Schmerzen. "Manchmal wäre ich gern ein Pferd gewesen, dann hätte man mich eingeschläfert."

Solche Töne passen nicht zu dem Bild, das die Medien von ihm zeichnen. Einen "Hallodri" und einen "Klassenclown", so nennen ihn Freunde aus dem Breisgau, aber auch einen, der gut zuhören könne, wenn er ausnahmsweise mal still saß. Zwei Motorroller und drei Autos hat er "verschrottet", bis er wenige Wochen vor dem Unfall endlich bei sich ankam - als Schauspielschüler in Hannover. Dort will er jetzt sein Studium wiederaufnehmen. Das Angebot seines Vaters, mit ihm zu tauschen, hat er natürlich abgelehnt. "Papa, du redest wie ein Blinder von der Farbe."

Samuel Koch, Christoph Fasel, "Samuel Koch, Zwei Leben", Adeo-Verlag, 208 Seiten, 17,99 Euro