War das groß angekündigte Verteilen von Koran-Ausgaben in deutschen Städten nur ein Bluff der Salafisten? In vielen Fußgängerzonen ließen sie sich am Samstag jedenfalls nicht blicken. In Berlin, Hannover und Kassel schon. Die Kölner Staatsanwaltschaft hat derweil bei Staatsschutz-Ermittlungen gegen den Salafisten-Prediger Ibrahim Abou Nagie keinen Erfolg gehabt.

Berlin. Radikale Islamisten haben am Samstag in mehreren deutschen Städten erneut kostenlos Koran-Ausgaben verteilt - ungeachtet der scharfen Kritik an ihrem Vorgehen. Allerdings fand die Aktion nach dpa-Recherchen in weniger Städten statt als im Internet angekündigt. Während beispielsweise Passanten am Potsdamer Platz in Berlin sowie in den Fußgängerzonen von Hannover, Fulda, Kassel und Göppingen Ausgaben des Koran angeboten bekamen, ließen sich in Hamburg, Stuttgart, Karlsruhe, Wiesbaden und anderen Städten keine Salafisten blicken.

In Berlin sorgte die Aktion für heftige Diskussionen zwischen Passanten und den Islamisten, aber auch unter Passanten. Viele nahmen Koran-Exemplare mit. Eine 65 Jahre alte Frau aus Chemnitz sagte: „Ich will mir selber ein Bild machen.“ Die Polizei verfolgte die Aktionen aufmerksam. Zunächst wurden keine Zwischenfälle bekannt. Nach der Ankündigung im Internet sollten in mehr als 30 Städten Informationsstände aufgebaut und Koran-Ausgaben verteilt werden.

Laut Verfassungsschutz soll das Netzwerk „Die wahre Religion“ um den radikalen Prediger Ibrahim Abou Nagie hinter der Koran-Verteilung stecken. Politiker und Sicherheitsbehörden befürchten, dass die Salafisten die Aktion für extremistische Zwecke missbrauchen könnten.

Abou Nagie will die Verteilung von Koran-Ausgaben weiter fortsetzen. Die Verbreitung des Korans sei „die Pflicht von jedem Muslim“, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Er werde dieser Pflicht nachkommen, obwohl er jeden Tag von der Polizei und vom Verfassungsschutz „terrorisiert“ werde und unter der „Medienhetze“ leide.

Der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, sagte der „Welt am Sonntag“, dass der Salafismus mit seiner Ideologie zum Radikalisierungsprozess von Menschen beitragen könne, habe zum Beispiel der Anschlag auf US-Soldaten am Frankfurter Flughafen 2011 gezeigt. Zwar könne nicht jeder Salafist mit Terrorismus in Verbindung gebracht werden. „Gleichwohl beobachten die Sicherheitsbehörden, insbesondere der Verfassungsschutz, diese Szene sehr intensiv, da der Salafismus die pluralistische Gesellschaft, wie wir sie hier in Deutschland haben, zumeist ablehnt.“ Nötig sei eine stärkere Aufklärung über die wahren Absichten der Salafisten.

Nach Angaben der Berliner Verfassungsschutzchefin Claudia Schmid geht es der Salafisten-Gruppe um Propaganda und die Rekrutierung von Anhängern. „Der Koran ist nur ein Mittel zum Zweck“, sagte sie der Nachrichtenagentur dpa.

Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, betonte am Samstag in Berlin, die friedfertige Verteilung des Korans müsse in einer Demokratie toleriert werden. „Das eigentliche Ziel der Salafisten ist aber der gewaltsame Kampf gegen „Ungläubige“. Dies ist nicht durch die Meinungs- und Religionsfreiheit gedeckt. Es ist mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht zu vereinen und eindeutig verfassungswidrig.“

Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Volker Beck, riet zu „Gelassenheit, Wachsamkeit und Wehrhaftigkeit der Demokratie“ und sagte: „Gegen die neofundamentalistischen Salafisten ist die Waffe der Demokratie das Wort.“ Die Imame und muslimischen Verbände sollten gegen die Verhetzung durch die Salafisten klar Stellung beziehen.

Der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl bezeichnete Salafisten in der „Bild“-Zeitung (Samstag) als „gefährliche Extremisten und Verfassungsfeinde“. Der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach verlangte, das Thema ganz oben auf die Tagesordnung der Islamkonferenz am kommenden Donnerstag zu setzen. „Die Koran-Aktion und die Drohungen gegen Journalisten müssen von der Islamkonferenz scharf verurteilt werden“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“ (Samstag). „Das Signal des Islamgipfels an die radikalen Islamisten muss lauten: Ihr habt in unserem Land keine Chance!“

Kein Erfolg bei Ermittlungen gegen Ibrahim Abou Nagie

Die Kölner Staatsanwaltschaft hat bei Staatsschutz-Ermittlungen gegen den Salafisten-Prediger Ibrahim Abou Nagie keinen Erfolg gehabt. Der Kölner Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn bestätigte dem Nachrichtenmagazin „Focus“, er habe dem Verteidiger des Kölner Predigers angeboten, eine Anklage wegen des Aufrufes zu einer Straftat zu den Akten zu legen. Der habe zugestimmt.

Die Vorwürfe gegen Abou Nagie basierten dem Bericht zufolge auf einem Youtube-Video. Dem Islamisten sei zur Last gelegt worden, er habe vor einer Schar Jugendlicher und Kinder zur Tötung von Ungläubigen aufgerufen. Eine Überprüfung habe ergeben, dass der Youtube-Clip aber gar keine Todesdrohung enthielt. „Das Video, das wir in der Ermittlungsakte gefunden haben, spiegelt keine Inhalte wieder, die zu einer Verurteilung geführt hätten“, sagte Willuhn dem Blatt. Abou Nagie gilt als Initiator der umstrittenen Verteilung kostenloser Koran-Ausgaben in Deutschland.

(dpa)