Müllabfuhr auf 8848 Meter Höhe. Eine Expedition voller Gefahren für die Bergsteiger

Berlin/Hamburg. Bei Profi-Bergsteigern ist das Basislager des Mount Everest etwa so beliebt wie das Münchner Oktoberfest unter Asketen. Hunderte Zelte stehen in 5600 Meter Höhe, es ist laut und voll. Müll ist ein großes Thema in dieser kargen Hochebene unter dem höchsten Berg der Welt, weit weg jeder Zivilisation.

Zweimal war Paul Thelen, 68, schon im Basislager, er kennt die Situation. "Man lebt im Dreck", sagt er. Er und sein Freund Eberhard Schaaf, 61, brechen diese Woche nach Nepal auf, um Müll wegzuräumen. Die Eco Everest Expedition (EEE) ist seit 2008 jährlich unterwegs, um im Camp und auf dem Weg zum Gipfel Abfall mitzunehmen; mehr als 13 Tonnen haben sie heruntergebracht, dazu viele Hundert Kilogramm Exkremente und einige Leichen. Thelen und Schaaf sind die ersten Deutschen, die mitmachen. 16 Bergsteiger aus sieben Ländern werden bis Ende Mai vor Ort sein. Natürlich wollen sie auch auf den Gipfel. 8848 Meter hoch. Ein gefährliches Unterfangen. Die Deutschen haben Ziele. Hochkommen. Runterkommen. Gesund runterkommen. Schwer genug.

Seit er als Jugendlicher Bücher über den Everest gelesen hat, ist der Berg ein Traum, sagt Thelen. Der Unternehmensberater aus Aachen steigt aber erst seit ein paar Jahren auf hohe Berge. Vorher lief er vor allem Marathon. Mit Eberhard Schaaf, der Sportarzt ist, war er auf dem Kilimandscharo (5893 Meter), dem Mount McKinley in Alaska (6194 Meter), 2009 schaffte er es in Argentinien auf den Aconcagua (6962 Meter). Ein Jahr haben die zwei intensiv für den Everest trainiert, sind in der Eishalle am Seil gestiegen, Treppen gelaufen und haben nachgedacht. Mentale Stärke gehört beim Bergsteigen dazu.

Die Expedition wird, wie am Everest üblich, vier Hochlager einrichten, mehrfach wird aufgestiegen, um sich an die Höhe zu gewöhnen, die Route kennenzulernen. Bis zum dritten Lager in 7200 Meter transportieren Expeditionsteilnehmer und Sherpas Material und Lebensmittel, beim Abstieg sind die Rucksäcke leer. Sie haben feste Nylonsäcke dabei, die jeweils mit zehn bis zwölf Kilogramm Müll gefüllt werden. Alte Zelte, Zeltstangen, Stoffreste, die festgefroren sind. Weggeworfene Ausrüstung, alte Fixseile. Leere Sauerstoffflaschen. Plastikverpackungen. Zurückgelassen von Hunderten von Bergsteigern. Die Masse des Mülls liegt seit den 1990er-Jahren da, als der Boom der touristischen Expeditionen begann. Durch die Erderwärmung schmilzt der berühmte und gefährliche Khumbu-Gletscher ab und bringt neuen Unrat zum Vorschein. Die EEE hat auch Blechdosen von 1962 gefunden.

Die Hochlager sind weiter verteilt, also auch der Müll, der sich ebenfalls entlang der Hauptroute findet. Mehr als 5000-mal wurde der Everest bestiegen, 80 Prozent davon seit 2000. "Höchste Müllkippe der Welt" wurde er genannt. Thelen sagt, die Situation habe sich gebessert. Etlicher Müll ist schon weg. Mehr und mehr achten Expeditionen auf ihr Material. Thelen und Schaaf lassen natürlich nichts am Berg zurück, erneuerbare Energien werden benutzt, schwere Parabolkocher kommen auch in den Höhenlagern zum Einsatz statt leichterer Kerosinbrenner.

Der Bergsteiger hat Verständnis für die Verhältnisse: "Am Everest sind die Kräfte ab einer bestimmten Höhe ausschließlich aufs Vorwärtskommen oder das gefahrlose Absteigen ausgerichtet. Man hat so viel mit sich selbst zu tun, dass es schnell mal passieren kann." Auch leere Sauerstoffflaschen seien schwer, Zelte gingen oft durch Sturm oder Schneefall kaputt, den Bergsteigern fehlten die Kräfte, die Reste mit herunterzuschleppen.

Es sei gar nicht so voll, wie oft behauptet wird, ein wirklicher Stau in der Route gebe es nur am berühmten Hillary Step kurz unterhalb des Gipfels, einer zwölf Meter hohen, senkrechten Wand, die geklettert werden muss. Ein Flaschenhals. Stundenlanges Warten ist die Folge, Bergsteiger wollen hinauf, andere schon wieder hinunter. Thelen ist 2011 extra den Island Peak geklettert, einen 6200 Meter hohen Nebenberg des Everest, um dort die etwa 200 Meter hohe Gletscherwand mit Fixseilen zu erklimmen. "Das ist, als würden Sie vorm Kölner Dom stehen und müssten da hochklettern."

Ab 7000 Meter beginnt die gefürchtete "Todeszone", bei der die Kräfte selbst dann schwinden, wenn man nichts tut. Der Tod tritt bei längerem Aufenthalt unweigerlich ein. Immer wieder sterben Menschen am Berg vor Erschöpfung. 2006 waren es elf. Die meisten bleiben in der eisigen Höhe liegen. Leichen wird die Expedition wohl nicht transportieren, auch das ist schon vorgekommen. Der Abtransport besonders durch den Khumbu-Eisfall über schmale Leitern sei hochgefährlich und äußerst beschwerlich, sagt Thelen. Oberhalb von 7000 Metern gebe es kaum eine Möglichkeit der Bergung.

Angst hat Thelen keine, aber Respekt. Nie würde er vom Sieg über den Berg sprechen. Aber ohne Leidenschaft und die Überzeugung, es zu schaffen, sei eben alles vergebens.