Französische Justiz wirft früherem IWF-Chef vor, Beihilfe zur Prostitution bei illegalen Sexpartys geleistet zu haben

Paris. Sein Sexleben hat nicht nur seine Karriere zerstört, sondern bringt Dominique Strauss-Kahn, 62, abermals juristisch in Bedrängnis. Die französische Justiz hat jetzt ein vorläufiges Anklageverfahren gegen den früheren Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) eröffnet. Hintergrund ist die "Callgirl-Affäre" von Lille, für die er bereits Ende Februar zwei Tage in Polizeigewahrsam verbracht hatte. Nach französischem Recht bedeutet vorläufige Anklage: Die Behörden haben Grund zur Annahme, dass eine Straftat begangen wurde, brauchen aber mehr Zeit für ihre Ermittlungen.

Dem ehemaligen französischen Spitzenpolitiker wird dabei Beteiligung an bandenmäßiger Zuhälterei vorgeworfen. Am Montagabend wurde er in Lille wegen des Besuchs illegaler Sexpartys in Luxushotels in Paris und in den USA erneut mehrere Stunden vernommen. Eigentlich sollte er erst heute vor die Untersuchungsrichter geladen werden. Es wurde erwartet, dass bei diesem Termin dann ein förmliches Ermittlungsverfahren gegen ihn eröffnet wird, das in eine Anklage münden könnte. Warum die Befragung vorgezogen wurde, ist nicht bekannt. Den Ermittlungsrichtern geht es im Kern um zwei Fragen: Hat Dominique Strauss-Kahn (DSK) gewusst, dass es sich bei den Frauen um Huren handelte? Dann hätte er sich nach Ansicht der Justiz der Unterstützung der Prostitution schuldig gemacht. Sollten sich Hinweise darauf finden, droht ihm eine Anklage wegen Beihilfe zur Zuhälterei, worauf in Frankreich bis zu 20 Jahre Haft stehen. DSK bestreitet seine Teilnahme an den von Unternehmern gesponserten Partys nicht, er ging aber von freizügigen "libertinären" Treffen mit Gleichgesinnten aus.

Die zweite Frage ist die Finanzierung der Partys. Diese wurden von zwei Bekannten Strauss-Kahns organisiert, einer von ihnen rechnete sie über seine Firma ab. Sollte DSK über die betrügerischen Machenschaften informiert gewesen sein und auch illegale Gegengeschäfte in Aussicht gestellt haben, drohen ihm eine Anklage wegen Veruntreuung von Firmengeldern und bis zu fünf Jahre hinter Gittern.

Nach der Vernehmung wurde DSK unter Auflagen gegen eine Kaution von 100 000 Euro auf freien Fuß gesetzt. Er darf keinen Kontakt mit anderen Verdächtigen aufnehmen und steht unter Aufsicht der Polizei. Sein Anwalt hat das Verfahren gegen seinen Mandanten als unfair bezeichnet. Strauss-Kahn sei wegen seines aktiven außerehelichen Sexlebens ungerechtfertigt zum Ziel von Ermittlungen geworden und habe keine Straftat begangen, sagte Anwalt Henri Leclerc gestern. Seinem Mandanten sei nicht bewusst gewesen, dass er mit Prostituierten Sex gehabt habe. Leclerc ist sicher, dass die Anklage in sich zusammenbrechen werde. Außerdem protestierte er gegen die Anordnung des Untersuchungsrichters, die DSK den Kontakt mit Medien verbietet, solange die Untersuchungen laufen.

Zudem muss sich Strauss-Kahn heute in New York vor einem Zivilgericht verantworten. Nach den Vergewaltigungsvorwürfen eines Hotelzimmermädchens hatte er im vergangenen Jahr nicht nur den IWF-Chefposten, sondern auch seine Hoffnungen auf die Präsidentschaftskandidatur der französischen Sozialisten aufgeben müssen. Die US-Justiz stellte das strafrechtliche Verfahren zwar wegen Zweifeln an der Glaubwürdigkeit der Frau ein, eine zivilrechtliche Klage ist aber noch anhängig. Nun wollen seine Anwälte auch den Zivilprozess verhindern, wie das Büro des Gegenanwaltes Kenneth Thompson bestätigte. Demnach berufen sich Strauss-Kahns Rechtsvertreter auf die diplomatische Immunität, die er damals als IWF-Chef noch genossen habe.

Eine Sprecherin von Strauss-Kahns Hauptanwalt William Taylor III in Washington bestätigte lediglich, dass Taylor seinen Mandanten heute in der Kammer von Richter Douglas McKeon am Supreme Court der Bronx vertreten werde.

Das Zimmermädchen Nafissatou Diallo wirft dem Franzosen vor, es im Mai 2011 in einem Luxushotel am Times Square überfallen und zum Oralsex gezwungen zu haben.