Bei einem Busunglück in einem Schweizer Autobahntunnel starben 28 Menschen, darunter 22 Kinder, die meisten aus Belgien und Holland. Auch vier Begleiter sowie die beiden Busfahrer kamen bei dem Unfall ums Leben.

Siders/Hamburg. Sie waren auf dem Heimweg aus den Skiferien im Val d'Anniviers. Doch die Fahrt endete für 15 belgische und sieben niederländische Kinder im Alter von zwölf Jahren sowie sechs Erwachsene mit dem Tod. Ihr Bus fuhr in einem Tunnel auf der A 9 in der Nähe des Schweizer Ortes Siders erst gegen eine Wand und prallte dann frontal in eine Nothaltebucht.

Durch die Wucht der Kollision wurde der vordere Teil des mit 52 Personen besetzten Fahrzeugs komplett zerstört, die Karosserie brach auseinander, Teile der Inneneinrichtung schossen durch die Scheiben. "Plötzlich wurde es dunkel, ich hörte einen Knall. Die Sitze flogen durch die Luft, ich wurde zwischen zwei Sitzen eingeklemmt", beschrieb eine Zwölfjährige später ihrem Vater die schrecklichen Minuten am Telefon. Das Mädchen hatte wohl einen Schutzengel, es kam mit zwei gebrochenen Beinen und einem gebrochenen Arm in ein Krankenhaus. Unter den Toten sind auch zwei Busfahrer und vier Lehrer.

Die Rettungsaktion dauerte bis in die Morgenstunden des gestrigen Tages. 24 Verletzte, darunter mindestens ein Jugendlicher aus Deutschland, wurden mit sieben Hubschraubern und Dutzenden Krankenwagen in Krankenhäuser gebracht. Mehr als 200 Sanitäter, Ärzte und Polizisten waren im Einsatz. Wieso der Fahrer die Kontrolle über das Fahrzeug verlor, ist unklar. "Der Fahrer hat die Randstreifen touchiert und ist dann frontal in die Nothaltebucht gefahren", sagte Renato Kalbermatten von der Kantonspolizei Wallis. "Wir werten alle Spuren aus, aber es kann noch Monate dauern, bis die genaue Unfallursache geklärt ist." Übermüdung kann es kaum gewesen sein, denn die Fahrer der belgischen Busgesellschaft Toptours, die sich während der Reise ablösen sollten, waren am Vorabend in dem Skiort eingetroffen und zum Unfallzeitpunkt erst 30 Minuten unterwegs.

+++ Geeint in Trauer und Verlust - Ein Deutscher unter den Opfern +++

"Es scheint, dass alle Vorschriften über die Ruhe- und Fahrzeit eingehalten wurden", sagte der belgische Staatssekretär für Verkehr, Melchior Wathelet. Das Unternehmen aus Aarschot genießt zudem laut Wathelet "einen exzellenten Ruf". Auch der deutsche Unfallexperte Johannes Hübner vom Internationalen Bustouristikverband bestätigte: "Die haben keine Lenkzeitüberschreitungen oder Probleme mit Alkohol."

Das Unfallfahrzeug, war in einem Konvoi mit zwei weiteren Bussen unterwegs, in denen 80 Kinder saßen. Diese haben von dem Unglück nichts mitbekommen und sind mittlerweile gut in Belgien angekommen.

Eine Tragödie dieses Ausmaßes habe es im Wallis noch nie gegeben, sagte Christian Varone, Kommandant der Kantonspolizei. "Dieses Drama wird ganz Belgien erschüttern", äußerte sich der belgische Botschafter in der Schweiz, Jan Luykx. Auch der belgische Kronprinz Philippe und seine Frau, Prinzessin Mathilde, zeigten sich "bestürzt über die Nachricht". Das Unglück treffe sie auch deshalb sehr, weil sie selber Kinder haben. Aus Respekt vor den Angehörigen der Toten spielten belgische Radiosender nur ernste Musik.

Mittlerweile sind 116 Angehörige in der Schweiz eingetroffen. Sie wurden mit einem belgischen Airbus zum Unglücksort geflogen und sollen von Psychologen betreut werden. Viele von ihnen müssen in grausamer Ungewissheit ausharren, denn noch ist die Identität vieler Opfer, die zum Teil bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt sind, nicht geklärt. "Wir müssen zur Identifizierung DNA-Proben entnehmen", sagte ein Sprecher der Kantonspolizei Wallis. Unterstützt werden die Schweizer vom belgischen Spezialistenteam der Abteilung Disaster Victim Identification.

In einer der betroffenen Schulen im flämischen Heverlee östlich von Brüssel standen gestern Kinder, Eltern und Lehrer unter Schock. 28 Kinder aus der Schule saßen in dem Bus. "Von acht von ihnen kennen wir das Schicksal nicht, die anderen haben gebrochene Arme und Beine", sagt Schulpfarrer Dirk De Gendt. Noch bis vor zwei Jahren waren die Schüler immer mit dem Zug in die Ferien gefahren.

Es ist eines der schwersten Busunglücke seit 30 Jahren in der Schweiz. Das folgenschwerste ereignete sich am 12. September 1981, als ein mit deutschen Touristen besetzter Reisebus auf einem Bahnübergang in der Nähe von Zürich von einem Regionalzug erfasst wurde. Alle 39 Insassen starben.