Egoismus - oder Glück dank der Medizin? Pensionierte ledige Pastorin bekam Zwillinge

Hamburg. In der Schweiz gibt es derzeit (fast) nur ein Thema. Darf eine Frau mit 66 Jahren noch Mutter werden? Eine pensionierte Pastorin hat vor etwa zwei Wochen im Kantonsspital Graubünden in Chur Zwillinge geboren. Sie ist damit die älteste Mutter in der Alpenrepublik. Joshua und Michael kamen per Kaiserschnitt zur Welt und sind derzeit noch zur Beobachtung in der Klinik. Wegen Problemen mit der Operationswunde soll die Frau nach der Geburt mit dem Rollator unterwegs gewesen sein.

Was die Schweizer am meisten beschäftigt, ist die Frage, was passiert mit den Jungen, wenn die Mutter krank oder gar hinfällig wird? Sie ist 69, wenn ihre Söhne in den Kindergarten kommen, 73, wenn sie eingeschult werden, und 84 bei deren Volljährigkeit. Die Vorwürfe gehen von "narzisstischer Rücksichtslosigkeit" über "Egoismus" bis hin zur "Verantwortungslosigkeit". Was geschieht, wenn die Frau ins Pflegeheim muss? "Ich hoffe sehr, dass sie sich ein solches Szenario vor der Geburt überlegt hat und die Möglichkeit hat, die Kinder an Bekannte zu geben", sagte Ruedi Nick, der ein Pflegeheim in der Nähe ihres Wohnorts leitet.

Die Pfarrerin verteidigte sich vehement: "Das ist meine Privatangelegenheit. Aber es ist unglaublich, was heute medizinisch möglich ist", sagte sie der Schweizer Zeitung "Blick". Zuspruch kommt von der bisherigen Schweizer Rekordhalterin, 65, die vor eineinhalb Jahren Tochter Katherine bekam. "Es gibt auch jüngere alleinerziehende Mütter. Wichtig ist, dass Kinder und Mütter gesund und glücklich sind." Wie lange die Frau noch keine großen gesundheitlichen Probleme haben wird, weiß niemand. Doch ist eine Frau heute mit 66 Jahren im Vergleich zu vor 30 Jahren noch fit. "Rein medizinisch gesehen sind die Risiken bei einer Spätgebärenden heute mit 66 gleich hoch wie zu Bismarcks Zeiten Ende des 19. Jahrhunderts", sagte der Züricher Mediziner Dr. Albert Wettstein, 64.

Nach Angaben der Ärzte ist die Kleinfamilie wohlauf. Ihre Identität ist noch nicht bekannt, doch das könnte sich bald ändern, wenn sie in die 1300-Seelen-Gemeinde Grüsch zurückkehrt, wo fast jeder jeden kennt. Auf natürliche Weise ist die ledige Seniorin wohl nicht schwanger geworden. Es wird vermutet, dass ihr in der Ukraine eine gespendete Eizelle eingepflanzt wurde. Das ist in der Schweiz verboten.

Mit ihrer späten Mutterschaft ist die Schweizerin in prominenter Gesellschaft. Im Jahr 2008 sorgte die Mutter von Sängerin Sarah Connor für Schlagzeilen, als sie im Alter von 50 Jahren Zwillinge zur Welt brachte. Soraya, die in zweiter Ehe mit dem Chirurgen Jürgen Tacke verheiratet ist und bereits sechs Kinder hat, begründete ihren späten Kinderwunsch mit der "Krönung unseres gemeinsamen Glücks".

Auch späte Väter liegen im Trend. So machte unlängst Moderator Ulrich Wickert von sich reden, als bekannt wurde, dass er mit 69 Jahren noch einmal Vater wird. Auch Schauspiellegende Robert De Niro freute sich mit 68 Jahren über Tochter Helen Grace. Sein Schauspielkollege Anthony Quinn wagte mit 79 und 81 Jahren gleich zweimal die späte Vaterschaft. Doch das Glück hielt nicht lange an, er erlebte den sechsten Geburtstag seines jüngsten Kindes nicht mehr.

Den zweifelhaften Rekord hält übrigens eine Inderin, die mit 70 Jahren Mutter wurde.