Spenderin wollte zwei Kindern den Vater retten. In Deutschland ist das nicht erlaubt

Seattle. Damon Brown aus Seattle war verzweifelt. Der Amerikaner benötigte dringend eine neue Niere. Seit Jahren stand er auf der Transplantationsliste, aber bislang ohne Erfolg. Der häufige Gang zur Dialyse wurde für den 38-Jährigen zur Tortur, und seine Gesundheit verschlechterte sich rapide. In seiner Not richtete Brown mit seiner Ehefrau Bethany bei Facebook unter dem Namen "Damon Kidney" eine Seite ein. Dort erzählte er seine Geschichte und bat um eine Spenderniere. Mit Erfolg: Tatsächlich meldete sich Jacqueline Ryall, 45, eine flüchtige Bekannte der Familie. Damon Brown erhält in dieser Woche eine neue Niere.

Freunde und Verwandte hatten den Link an ihre Kontakte geschickt. Durch das Schneeballsystem verbreitete sich das Gesuch sehr schnell, sodass mehr als 1400 Facebook-Freunde erreicht wurden. Als die Transplantation genehmigt war, teilte Brown die gute Nachricht auf seiner Seite mit. Mehr als 300 Menschen antworteten. "Wow, was für ein tolles Weihnachtsgeschenk", schrieb Kelly Hallissey. "Das ist fantastisch", freute sich Brenda Tomtan.

"Sie sagte, sie tue das eigentlich nicht für mich", erzählt der zweifache Familienvater über Ryall. "Es ist für meine Kinder, weil sie einen Vater verdienen." Seine Frau kennt die Spenderin zwar schon seit Jahren, sie ist aber keine enge Freundin. Und so wäre der Kontakt ohne Facebook wahrscheinlich nie zustande gekommen, weil Brown seine Krankheit zunächst lieber für sich behielt. Ihm war es erst peinlich, öffentlich um Hilfe zu bitten. Aber er fühlte sich ständig abgeschlagen und hatte kaum noch Kraft für seine Söhne, den fünfjährigen Julian und den dreijährigen Theo. "Ich bin ein starker Mann, aber ich muss sagen, das Jahr war hart", sagt er. Der Patient wusste, auf die Niere eines Verstorbenen hätte er noch einige Jahre warten müssen.

Jacqueline Ryall möchte angesichts ihrer guten Gesundheit etwas zurückgeben. "Der wahre Grund besteht darin, dass er Kinder hat und ein guter Mann ist", sagt die Amerikanerin, die selbst kinderlos ist. "Mir geht es gut. Ich habe viel bekommen, und ich habe die Verantwortung, etwas zurückzugeben." Ihre Mutter versteht allerdings nicht, warum sie ihre Niere einem Mann geben will, der nicht zur Familie gehört. Ihre Angehörigen sorgen sich um ihre Gesundheit. Aber Ryall hat sich informiert und beschlossen, dass es für eine gesunde Frau relativ sicher ist, eine Niere zu spenden. "Es ist absolut das Richtige."

Früher wurden Spender über Anzeigen und Kirchenzeitungen gefunden

Das fand auch April Capone, Ex-Bürgermeisterin von East Haven im US-Staat Connecticut. Sie erhielt via Facebook eine Nachricht von einem ihrer Wähler, Carlos Sanchez. Er brauchte eine neue Niere. Der Arzt hatte den Mann überzeugt, seine Erkrankung nicht für sich zu behalten. "Von der Sekunde, in der ich seine Nachricht sah, wusste ich, dass ich die Spenderin sein würde", erzählt Capone, die Sanchez damals kaum kannte. Heute sind sie wie Geschwister, telefonieren fast täglich und treffen sich zum Mittagessen. Capone wollte einfach nur ein Leben retten. "Das ist das Beste, was ich je in meinem Leben getan habe", sagt sie. "Ich wünschte, ich hätte mehr Nieren. Ich würde es wieder tun."

Browns Geschichte ist so ungewöhnlich nicht, erklärt United Network for Organ Sharing. Der gemeinnützige Verein organisiert für die Regierung die Organtransplantationen in den USA. "Mehr und mehr Leute finden sich über die sozialen Medien", sagt Sprecherin April Paschke. "Das ist eine Ausweitung unserer Kommunikation. Vor dem Internet haben die Menschen andere Wege gefunden: über ein Kirchenblatt, Mundpropaganda oder Anzeigen." 2010 wurden in den USA 16 800 Nierentransplantationen ausgeführt. In 6277 Fällen kam das Organ von einem lebenden Spender. In den USA werden jeden Tag 46 Nieren transplantiert, während gleichzeitig 13 Patienten sterben, die auf der Transplantationsliste stehen.

Im Gegensatz zu den USA ist es in Deutschland nicht möglich, einen Nierenspender über Facebook zu finden, sagt Christine Gehringer von der Deutschen Stiftung Organtransplantation. Laut Transplantationsgesetz kommen für die Lebendspende von Organen nur Verwandte ersten oder zweiten Grades (Eltern oder Geschwister des Empfängers), Ehepartner, Verlobte oder Personen, die dem Spender persönlich nahestehen, infrage. Eine unabhängige Gutachterkommission prüft zudem, ob die Spende freiwillig und ohne finanzielle Interessen geschieht. So soll sichergestellt werden, dass diese ausschließlich ein Akt der Nächstenliebe und Fürsorge zwischen besonders nahestehenden Personen ist.