Die Küste vor New Orleans im amerikanischen Süden hat noch nicht einmal Hurrikan “Katrina“ richtig verarbeitet, da naht schon die Ölpest.

New Orleans. "O ja, es ist eine schlimme Sache", sagt James Ross vom New Orleans Tourist Center, "vor allem für die Leute an der Küste, aber vielleicht haben wir diesmal Glück. Letztendlich bestimmt die Windrichtung den Weg des Ölteppichs."

Mit dem Wind aber stehen die Einwohner von Louisiana schon lange nicht mehr auf gutem Fuß. Hurrikan "Katrina", der vor knapp fünf Jahren für den zeitweiligen Untergang des touristischen Zentrums des amerikanischen Südens sorgte, ist nicht vergessen. Weder in der Stadt noch an der Küste, die damals ebenfalls total verwüstet wurde, konnten bisher alle Schäden beseitigt werden. Jetzt steht Louisiana erneut vor einer Katastrophe. Mit dem Unterschied, dass sie vom Menschen selbst verursacht wurde. Die Natur schlägt zurück. Die Frage ist nur: wann, wo und wie schmerzhaft.

Das Stadtgebiet von New Orleans selbst wird aufgrund seiner geografischen Lage von einer Ölpest verschont bleiben. Dazu liege es zu weit im Landesinneren, sagt Ross. Im Übrigen gehe er, wie viele seiner Kolleginnen und Kollegen, davon aus, dass es den amerikanischen Ingenieuren gelingen werde, die beiden Lecks der gesunkenen Bohrinsel "Deepwater Horizon" in rund 1500 Meter Tiefe bald abzudichten. "Bald" ist jedoch ein sehr dehnbarer Begriff. Und es klingt sehr nach Zweckoptimismus. Denn etwa 140 Tonnen Rohöl sprudeln dort unten täglich ins Meer. "Ein Vergleich mit der Havarie der 'Exxon Valdez' im Jahre 1989 vor Alaska wäre nicht zulässig", sagte Chris Reddy, Experte für Meeres-Chemie der renommierten Woods Hole Oceanographic Institution, in einem Interview. Aus dem Tanker waren damals 40 000 Tonnen Rohöl ausgelaufen. "Bis diese Menge im Golf von Mexiko erreicht wird, vergehen noch 250 Tage", rechnet Reddy vor.

Allerdings habe man bisher nur sehr wenige Erfahrungen mit Ölleckagen im offenen Meer. Noch mindestens 30 Tage könnte es dauern, bis die Techniker des Ölkonzerns BP ihren Plan B in die Tat umsetzen können: eine riesige Kuppel herunterzulassen, das austretende Öl aufzufangen und es dann nach oben zu pumpen. Ein weiteres Szenario wäre schließlich eine "Entlastungsbohrung", für die der Ölmulti bereits zwei Bohrinseln gechartert hat, sollten alle Versuche scheitern. Das wäre Plan C.

"Der Wind steht zurzeit günstig. Der Ölteppich ist noch 45 Kilometer von der Küste entfernt", erklärte gestern Abend ein Presseoffizier der US-Küstenwache. Einschränkend fügte er hinzu, dass sich die Ausmaße des Ölfilms inzwischen verdreifacht hätten. Die Länge beträgt 120 Kilometer, die Breite an manchen Stellen mehr als 70 Kilometer. Ozeanografen, Umweltschützer und vor allem auch die Austernfischer in der Breton-Meerenge sehen schwarz. John Tesvich ist hier Herr über 1600 Hektar Austernbänke. "Das ist unser ertragreichstes Gebiet", sagte er, "aber wohin soll ich die Austern umsiedeln?" Fest steht, dass das Ökosystem der Golfküste geschädigt werden wird. Wie stark, dass könne man noch nicht abschätzen, sagte der Ozeanograf George Crozier vom Dauphin Island Sea Lab in Alabama. "Das wirkliche Problem", fürchtet er, "werden die Strände sein, dort wird es sich zeigen." Seine Besorgnis gilt vor allem den Chandeleur- und Breton-Inseln vor Louisiana, wo Hunderttausende von Seevögeln ihre Brutplätze haben.

Gleichzeitig machen sich Wissenschaftler Sorgen um die Meeresbewohner, die mit den chemischen Keulen in Berührung kommen, die tonnenweise aus der Luft abgeworfen werden, um den Ölteppich zu zersetzen. Unter anderem wurden drei Pottwale gesichtet. "Der Einsatz von Lösungsmitteln wird an den entsprechenden Stellen angepasst, um die Wale zu schützen", versprach Küstenwachoffizier Danner. Den Menschen im Süden der USA bleibt nur noch die Hoffnung, auf günstiges Wetter. "Viel Zeit bleibt jedoch nicht mehr", orakelt Tourismusfachmann James Ross, "denn schon im Juni beginnt wieder die Hurrikan-Saison."