Der Fehler wurde dem Lokführer nicht angezeigt. Züge haben zur Sicherheit vorerst ein Tempolimit.

Berlin. Die von Pleiten, Pech und Pannen gebeutelte Bahn hat gelernt. Nachdem das Unternehmen bei den gerissenen ICE-Achsen im Oktober 2008 noch zögerlich reagierte, kündigt die Deutsche Bahn jetzt eine rasche Überprüfung aller ICE-Türen an. Eine lose Stellmutter an der Verriegelung war nach der amtlichen Untersuchung die Ursache für den schweren Unfall am vergangenen Sonnabend. Eine abgerissene ICE-Tür hatte auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Frankfurt und Köln einen entgegenkommenden Zug getroffen und beschädigt.

Als Konsequenz aus dem Unfall sind für alle 50 Züge des Typs ICE-3 der ersten Bauserie in den nächsten zwei Wochen Sonderprüfungen vorgesehen. Das teilte die beim Bundesverkehrsministerium angesiedelte Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle des Bundes gestern mit. Deren Experten hatten den ICE-3 untersucht, der die Tür verloren hatte. In der Türverriegelung hatte sich demnach an einer Stange eine Stellmutter gelöst. Dadurch waren von drei Schließvorrichtungen die mittlere und die untere nur in der Position "geschlossen" statt in der Endposition "verriegelt".

Der Lokführer habe dies nicht bemerken können, erläuterten die Experten gestern. In der Überwachungsanzeige sei die Tür als ordnungsgemäß verschlossen gemeldet worden. Dies liege daran, dass bei den Zügen dieser Baureihe eine Kontrollvorrichtung dafür nur an der oberen der drei Verriegelungen angebracht sei. Ausgerechnet diese war aber nicht betroffen.

Bis zum Ende der Sonderprüfungen gilt für ICEs der entsprechenden Baureihe ein Tempolimit in Tunneln. Für die Strecken Köln-Frankfurt und Nürnberg-München liegt dies bei 250 km/h, auf den Strecken Rohrbach-Würzburg und Mannheim-Stuttgart bei Tempo 220. Normalerweise beschleunigen die Züge hier bis auf Tempo 300. Es muss daher mit Verspätungen im Fahrplan gerechnet werden. Die Bahn sprach von "geringen Beeinträchtigungen". In Abstimmung mit dem Eisenbahn-Bundesamt sollen außerdem "geeignete Maßnahmen" gesucht werden, um solche Vorfälle künftig zu vermeiden.

Bei Tunnelfahrten gibt es generell extreme Druckschwankungen, vor allem bei Gegenverkehr im zweigleisigen Tunnel. "Ein Grund dafür ist die plötzliche Verdrängung großer Luftmengen", sagte Markus Hecht, Professor für Schienenfahrzeuge an der TU Berlin, in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung". "Wenn nun zwei Züge aneinander vorbeifahren, sind diese Druckveränderungen kurzzeitig geradezu dramatisch, das alles spielt sich in Bruchteilen von Sekunden ab. Eine Druckerhöhung ist dabei nicht weiter schlimm. Fatal auswirken kann sich eher ein massiver Druckabfall." Der Eisenbahnexperte sagte, dass auch bei ersten Testfahrten von Hochgeschwindigkeitszügen schon Türen verloren gegangen seien. Die Deutsche Bahn sprach von einem Einzelfall.

Bei dem Unfall zwischen Montabaur und Limburg hatte die Tür des ICE 105 mehrere Scheiben des Bistrowagens des entgegenkommenden ICE 612 beschädigt. Die Tür wurde später völlig zertrümmert in einem Tunnel etwa vier Kilometer vor dem Bahnhof Montabaur gefunden. Bei dem Unfall wurden sechs Menschen durch umherfliegende Glassplitter verletzt. Vier Reisende mussten vorübergehend in ein Krankenhaus gebracht werden.

Die Bahnstrecke war nach dem Unfall zehn Stunden lang gesperrt - ausgerechnet während des Flugverbots wegen der Vulkanasche. Das verschärfte die Engpässe im Bahnverkehr. Bei dem Unfall waren nämlich auch Oberleitungen zerstört worden.